Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

lige lebende Möglichkeit des Geistes erhalte, in dem
brüte der Geist sich selber aus, und fliege -- vom hei¬
ligen Rhythmus hingerissen oft, dann getragen dann
geschwungen sich auf und ab in heiligem Wahnsinn,
dem Göttlichen hingegeben, denn innerlich sei dies Eine
nur: die Bewegung zur Sonne, die halte am Rhyth¬
mus sich fest. --

Denn sagte er am andern Tag wieder: Es seien
zwei Kunstgestalten oder zu berechnende Gesetze, die
eine zeige sich auf der gottgleichen Höhe im Anfang
eines Kunstwerks, und neige sich gegen das Ende;
die andre, wie ein freier Sonnenstrahl, der vom
göttlichen Licht ab, sich einen Ruhepunkt auf dem
menschlichen Geist gewähre, neige ihr Gleichgewicht
vom Ende zum Anfang. Da steige der Geist hinauf
aus der Verzweiflung in den heiligen Wahnsinn, in¬
sofern Der höchste menschliche Erscheinung sei, wo die
Seele alle Sprachäußerung übertreffe, und führe der
dichtende Gott sie ins Licht; die sei geblendet dann, und
ganz getränkt vom Licht, und es erdürre ihre ur¬
sprüngliche üppige Fruchtbarkeit vom starken Sonnen¬
licht; aber ein so durchgebrannter Boden sei im Aufer¬
stehen begriffen, er sei eine Vorbereitung zum Übermensch¬

lige lebende Möglichkeit des Geiſtes erhalte, in dem
brüte der Geiſt ſich ſelber aus, und fliege — vom hei¬
ligen Rhythmus hingeriſſen oft, dann getragen dann
geſchwungen ſich auf und ab in heiligem Wahnſinn,
dem Göttlichen hingegeben, denn innerlich ſei dies Eine
nur: die Bewegung zur Sonne, die halte am Rhyth¬
mus ſich feſt. —

Denn ſagte er am andern Tag wieder: Es ſeien
zwei Kunſtgeſtalten oder zu berechnende Geſetze, die
eine zeige ſich auf der gottgleichen Höhe im Anfang
eines Kunſtwerks, und neige ſich gegen das Ende;
die andre, wie ein freier Sonnenſtrahl, der vom
göttlichen Licht ab, ſich einen Ruhepunkt auf dem
menſchlichen Geiſt gewähre, neige ihr Gleichgewicht
vom Ende zum Anfang. Da ſteige der Geiſt hinauf
aus der Verzweiflung in den heiligen Wahnſinn, in¬
ſofern Der höchſte menſchliche Erſcheinung ſei, wo die
Seele alle Sprachäußerung übertreffe, und führe der
dichtende Gott ſie ins Licht; die ſei geblendet dann, und
ganz getränkt vom Licht, und es erdürre ihre ur¬
ſprüngliche üppige Fruchtbarkeit vom ſtarken Sonnen¬
licht; aber ein ſo durchgebrannter Boden ſei im Aufer¬
ſtehen begriffen, er ſei eine Vorbereitung zum Übermenſch¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0435" n="419"/>
lige lebende Möglichkeit des Gei&#x017F;tes erhalte, in dem<lb/>
brüte der Gei&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;elber aus, und fliege &#x2014; vom hei¬<lb/>
ligen Rhythmus hingeri&#x017F;&#x017F;en oft, dann getragen dann<lb/>
ge&#x017F;chwungen &#x017F;ich auf und ab in heiligem Wahn&#x017F;inn,<lb/>
dem Göttlichen hingegeben, denn innerlich &#x017F;ei dies Eine<lb/>
nur: die Bewegung zur Sonne, die halte am Rhyth¬<lb/>
mus &#x017F;ich fe&#x017F;t. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Denn &#x017F;agte er am andern Tag wieder: Es &#x017F;eien<lb/>
zwei Kun&#x017F;tge&#x017F;talten oder zu berechnende Ge&#x017F;etze, die<lb/>
eine zeige &#x017F;ich auf der gottgleichen Höhe im Anfang<lb/>
eines Kun&#x017F;twerks, und neige &#x017F;ich gegen das Ende;<lb/>
die andre, wie ein freier Sonnen&#x017F;trahl, der vom<lb/>
göttlichen Licht ab, &#x017F;ich einen Ruhepunkt auf dem<lb/>
men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;t gewähre, neige ihr Gleichgewicht<lb/>
vom Ende zum Anfang. Da &#x017F;teige der Gei&#x017F;t hinauf<lb/>
aus der Verzweiflung in den heiligen Wahn&#x017F;inn, in¬<lb/>
&#x017F;ofern <hi rendition="#g">Der</hi> höch&#x017F;te men&#x017F;chliche Er&#x017F;cheinung &#x017F;ei, wo die<lb/>
Seele alle Sprachäußerung übertreffe, und führe der<lb/>
dichtende Gott &#x017F;ie ins Licht; die &#x017F;ei geblendet dann, und<lb/>
ganz getränkt vom Licht, und es erdürre ihre ur¬<lb/>
&#x017F;prüngliche üppige Fruchtbarkeit vom &#x017F;tarken Sonnen¬<lb/>
licht; aber ein &#x017F;o durchgebrannter Boden &#x017F;ei im Aufer¬<lb/>
&#x017F;tehen begriffen, er &#x017F;ei eine Vorbereitung zum Übermen&#x017F;ch¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[419/0435] lige lebende Möglichkeit des Geiſtes erhalte, in dem brüte der Geiſt ſich ſelber aus, und fliege — vom hei¬ ligen Rhythmus hingeriſſen oft, dann getragen dann geſchwungen ſich auf und ab in heiligem Wahnſinn, dem Göttlichen hingegeben, denn innerlich ſei dies Eine nur: die Bewegung zur Sonne, die halte am Rhyth¬ mus ſich feſt. — Denn ſagte er am andern Tag wieder: Es ſeien zwei Kunſtgeſtalten oder zu berechnende Geſetze, die eine zeige ſich auf der gottgleichen Höhe im Anfang eines Kunſtwerks, und neige ſich gegen das Ende; die andre, wie ein freier Sonnenſtrahl, der vom göttlichen Licht ab, ſich einen Ruhepunkt auf dem menſchlichen Geiſt gewähre, neige ihr Gleichgewicht vom Ende zum Anfang. Da ſteige der Geiſt hinauf aus der Verzweiflung in den heiligen Wahnſinn, in¬ ſofern Der höchſte menſchliche Erſcheinung ſei, wo die Seele alle Sprachäußerung übertreffe, und führe der dichtende Gott ſie ins Licht; die ſei geblendet dann, und ganz getränkt vom Licht, und es erdürre ihre ur¬ ſprüngliche üppige Fruchtbarkeit vom ſtarken Sonnen¬ licht; aber ein ſo durchgebrannter Boden ſei im Aufer¬ ſtehen begriffen, er ſei eine Vorbereitung zum Übermenſch¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/435
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/435>, abgerufen am 18.06.2024.