höre was er über die Verse und über die Sprache sage, wie wenn er nah dran sei das göttliche Geheimniß der Sprache zu erleuchten, und dann verschwinde ihm wieder alles im Dunkel, und dann ermatte er in der Verwirrung, und meine es werde ihm nicht gelingen begreiflich sich zu machen; und die Sprache bilde alles Denken, denn sie sei größer wie der Menschengeist, der sei ein S[c]lave nur der Sprache, und so lange sei der Geist im Menschen noch nicht der vollkommne, als die Sprache ihn nicht alleinig hervorrufe. Die Gesetze des Geistes aber seien metrisch, das fühle sich in der Sprache, sie werfe das Netz über den Geist, in dem gefangen, er das Göttliche aussprechen müsse, und so lange der Dich¬ ter noch den Versaccent suche und nicht vom Rhyth¬ mus fortgerissen werde, so lange habe seine Poesie noch keine Wahrheit, denn Poesie sei nicht das alberne sinnlose Reimen, an dem kein tieferer Geist Gefallen haben könne, sondern das sei Poesie: daß eben der Geist nur sich rhythmisch ausdrücken könne, daß nur im Rhythmus seine Sprache liege, während das poesielose auch geistlos, mithin unrhythmisch sei -- und ob es denn der Mühe lohne mit so sprachgeistarmen Worten Gefühle in Reime zwingen zu wollen, wo nichts mehr übrig bleibe, als das mühselig gesuchte Kunststück zu
höre was er über die Verſe und über die Sprache ſage, wie wenn er nah dran ſei das göttliche Geheimniß der Sprache zu erleuchten, und dann verſchwinde ihm wieder alles im Dunkel, und dann ermatte er in der Verwirrung, und meine es werde ihm nicht gelingen begreiflich ſich zu machen; und die Sprache bilde alles Denken, denn ſie ſei größer wie der Menſchengeiſt, der ſei ein S[c]lave nur der Sprache, und ſo lange ſei der Geiſt im Menſchen noch nicht der vollkommne, als die Sprache ihn nicht alleinig hervorrufe. Die Geſetze des Geiſtes aber ſeien metriſch, das fühle ſich in der Sprache, ſie werfe das Netz über den Geiſt, in dem gefangen, er das Göttliche ausſprechen müſſe, und ſo lange der Dich¬ ter noch den Versaccent ſuche und nicht vom Rhyth¬ mus fortgeriſſen werde, ſo lange habe ſeine Poeſie noch keine Wahrheit, denn Poeſie ſei nicht das alberne ſinnloſe Reimen, an dem kein tieferer Geiſt Gefallen haben könne, ſondern das ſei Poeſie: daß eben der Geiſt nur ſich rhythmiſch ausdrücken könne, daß nur im Rhythmus ſeine Sprache liege, während das poeſieloſe auch geiſtlos, mithin unrhythmiſch ſei — und ob es denn der Mühe lohne mit ſo ſprachgeiſtarmen Worten Gefühle in Reime zwingen zu wollen, wo nichts mehr übrig bleibe, als das mühſelig geſuchte Kunſtſtück zu
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höre was er über die Verſe und über die Sprache ſage,
wie wenn er nah dran ſei das göttliche Geheimniß
der Sprache zu erleuchten, und dann verſchwinde ihm
wieder alles im Dunkel, und dann ermatte er in der
Verwirrung, und meine es werde ihm nicht gelingen
begreiflich ſich zu machen; und die Sprache bilde alles
Denken, denn ſie ſei größer wie der Menſchengeiſt, der
ſei ein Sclave nur der Sprache, und ſo lange ſei der
Geiſt im Menſchen noch nicht der vollkommne, als die
Sprache ihn nicht alleinig hervorrufe. Die Geſetze des
Geiſtes aber ſeien metriſch, das fühle ſich in der Sprache,
ſie werfe das Netz über den Geiſt, in dem gefangen, er
das Göttliche ausſprechen müſſe, und ſo lange der Dich¬
ter noch den Versaccent ſuche und nicht vom Rhyth¬
mus fortgeriſſen werde, ſo lange habe ſeine Poeſie
noch keine Wahrheit, denn Poeſie ſei nicht das alberne
ſinnloſe Reimen, an dem kein tieferer Geiſt Gefallen
haben könne, ſondern das ſei Poeſie: daß eben der Geiſt
nur ſich rhythmiſch ausdrücken könne, daß nur im
Rhythmus ſeine Sprache liege, während das poeſieloſe
auch geiſtlos, mithin unrhythmiſch ſei — und ob es
denn der Mühe lohne mit ſo ſprachgeiſtarmen Worten
Gefühle in Reime zwingen zu wollen, wo nichts mehr
übrig bleibe, als das mühſelig geſuchte Kunſtſtück zu
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/432>, abgerufen am 22.12.2024.
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