feine Hemdärmel und mein Schnupftuch um den Hals geknüpft. --
An die Günderode nach Würzburg.
Weil ich jetzt weiß, daß Du außer der Welt bist so hab ich ein ganz ander Leben angefangen und mein Sinn hat sich ganz geändert. -- Ich möcht auch fort in die Welt, ja ich möcht fort! -- Ich bin doch in mei¬ nem Leben noch auf keinen Berg gestiegen, von wo aus man die ganze Welt übersieht, und in meiner Seel überseh ich doch die Welt. -- Du zankst daß ich alles besser wissen will, und ich weiß doch alles besser, und ich kann doch nichts davor daß mirs anders und besser einfällt. -- Ja mir kömmt vor als sei mein Bewußt¬ sein ein Gesang meiner Seele dem ich mit Vergnügen zuhör, denn wenn ich einmal etwas nicht weiß, so ist es nur als hätt ichs vergessen gehabt, aber ich hatte es doch schon einmal gewußt. -- Nur bei kleinen Dingen steht mir manchmal der Verstand still, zum Beispiel ge¬ stern bei einer wilden Kastanie die ich aus ihrer grünen Hülfe losmachte, da lagen drei Kastanien in einander
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feine Hemdärmel und mein Schnupftuch um den Hals geknüpft. —
An die Günderode nach Würzburg.
Weil ich jetzt weiß, daß Du außer der Welt biſt ſo hab ich ein ganz ander Leben angefangen und mein Sinn hat ſich ganz geändert. — Ich möcht auch fort in die Welt, ja ich möcht fort! — Ich bin doch in mei¬ nem Leben noch auf keinen Berg geſtiegen, von wo aus man die ganze Welt überſieht, und in meiner Seel überſeh ich doch die Welt. — Du zankſt daß ich alles beſſer wiſſen will, und ich weiß doch alles beſſer, und ich kann doch nichts davor daß mirs anders und beſſer einfällt. — Ja mir kömmt vor als ſei mein Bewußt¬ ſein ein Geſang meiner Seele dem ich mit Vergnügen zuhör, denn wenn ich einmal etwas nicht weiß, ſo iſt es nur als hätt ichs vergeſſen gehabt, aber ich hatte es doch ſchon einmal gewußt. — Nur bei kleinen Dingen ſteht mir manchmal der Verſtand ſtill, zum Beiſpiel ge¬ ſtern bei einer wilden Kaſtanie die ich aus ihrer grünen Hülfe losmachte, da lagen drei Kaſtanien in einander
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feine Hemdärmel und mein Schnupftuch um den Hals
geknüpft. —
An die Günderode nach Würzburg.
Weil ich jetzt weiß, daß Du außer der Welt biſt
ſo hab ich ein ganz ander Leben angefangen und mein
Sinn hat ſich ganz geändert. — Ich möcht auch fort
in die Welt, ja ich möcht fort! — Ich bin doch in mei¬
nem Leben noch auf keinen Berg geſtiegen, von wo aus
man die ganze Welt überſieht, und in meiner Seel
überſeh ich doch die Welt. — Du zankſt daß ich alles
beſſer wiſſen will, und ich weiß doch alles beſſer, und
ich kann doch nichts davor daß mirs anders und beſſer
einfällt. — Ja mir kömmt vor als ſei mein Bewußt¬
ſein ein Geſang meiner Seele dem ich mit Vergnügen
zuhör, denn wenn ich einmal etwas nicht weiß, ſo iſt
es nur als hätt ichs vergeſſen gehabt, aber ich hatte es
doch ſchon einmal gewußt. — Nur bei kleinen Dingen
ſteht mir manchmal der Verſtand ſtill, zum Beiſpiel ge¬
ſtern bei einer wilden Kaſtanie die ich aus ihrer grünen
Hülfe losmachte, da lagen drei Kaſtanien in einander
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/377>, abgerufen am 25.11.2024.
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