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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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Dein Lied schmerzt mich -- ja es weckt Melodieen --
aber so schmerzliche -- daß ich in ihrem Gesang den
Widerhall Deines Weh's empfinde, und mich schäme
daß ich so heiter war diese Zeit über, an jedem Weg
mir Blumen sammelte und Dir zuwarf in Scherz und
Übermuth, und das war schlecht lieben gelernt von mir,
wo ich doch herausgezogen war um dieser Schule mich
ganz zu widmen.

Was werd ich dem Clemens sagen wenn er auf
meine Bildung zu sprechen kommt? -- Ich freu mich
sehr auf den Clemens das wird mich für Dein Fortlau¬
fen trösten, ich mag gar nicht dran denken daß Du mit
so viel Menschen umgehen kannst mit denen ich kein
ungescheut Wort zu sprechen vermag. -- Wie ist mir
doch Hören und Sehen verkürzt durch Dein Weggehen!
-- Gestern Abend noch blies mir die hundertjährige
Cousine das Licht aus, ich solle nicht die ganze Nacht
durch schreiben meinte sie, oder sie wolle es der Gro߬
mama sagen daß ich meine Gesundheit verderbe, ich
hatte einen Schachteldeckel vors Licht gestellt daß sies
nicht sehen sollt durchs Schlüsselloch, aber sie bemerkte
den Widerschein; -- ich sagte Sie alte Hundertjährige
was will Sie mit mir auf der Welt. Sie kann doch
unmöglich noch einmal hundert Jahr leben, dann gehen

Dein Lied ſchmerzt mich — ja es weckt Melodieen —
aber ſo ſchmerzliche — daß ich in ihrem Geſang den
Widerhall Deines Weh's empfinde, und mich ſchäme
daß ich ſo heiter war dieſe Zeit über, an jedem Weg
mir Blumen ſammelte und Dir zuwarf in Scherz und
Übermuth, und das war ſchlecht lieben gelernt von mir,
wo ich doch herausgezogen war um dieſer Schule mich
ganz zu widmen.

Was werd ich dem Clemens ſagen wenn er auf
meine Bildung zu ſprechen kommt? — Ich freu mich
ſehr auf den Clemens das wird mich für Dein Fortlau¬
fen tröſten, ich mag gar nicht dran denken daß Du mit
ſo viel Menſchen umgehen kannſt mit denen ich kein
ungeſcheut Wort zu ſprechen vermag. — Wie iſt mir
doch Hören und Sehen verkürzt durch Dein Weggehen!
— Geſtern Abend noch blies mir die hundertjährige
Couſine das Licht aus, ich ſolle nicht die ganze Nacht
durch ſchreiben meinte ſie, oder ſie wolle es der Gro߬
mama ſagen daß ich meine Geſundheit verderbe, ich
hatte einen Schachteldeckel vors Licht geſtellt daß ſies
nicht ſehen ſollt durchs Schlüſſelloch, aber ſie bemerkte
den Widerſchein; — ich ſagte Sie alte Hundertjährige
was will Sie mit mir auf der Welt. Sie kann doch
unmöglich noch einmal hundert Jahr leben, dann gehen

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[358/0374] Dein Lied ſchmerzt mich — ja es weckt Melodieen — aber ſo ſchmerzliche — daß ich in ihrem Geſang den Widerhall Deines Weh's empfinde, und mich ſchäme daß ich ſo heiter war dieſe Zeit über, an jedem Weg mir Blumen ſammelte und Dir zuwarf in Scherz und Übermuth, und das war ſchlecht lieben gelernt von mir, wo ich doch herausgezogen war um dieſer Schule mich ganz zu widmen. Was werd ich dem Clemens ſagen wenn er auf meine Bildung zu ſprechen kommt? — Ich freu mich ſehr auf den Clemens das wird mich für Dein Fortlau¬ fen tröſten, ich mag gar nicht dran denken daß Du mit ſo viel Menſchen umgehen kannſt mit denen ich kein ungeſcheut Wort zu ſprechen vermag. — Wie iſt mir doch Hören und Sehen verkürzt durch Dein Weggehen! — Geſtern Abend noch blies mir die hundertjährige Couſine das Licht aus, ich ſolle nicht die ganze Nacht durch ſchreiben meinte ſie, oder ſie wolle es der Gro߬ mama ſagen daß ich meine Geſundheit verderbe, ich hatte einen Schachteldeckel vors Licht geſtellt daß ſies nicht ſehen ſollt durchs Schlüſſelloch, aber ſie bemerkte den Widerſchein; — ich ſagte Sie alte Hundertjährige was will Sie mit mir auf der Welt. Sie kann doch unmöglich noch einmal hundert Jahr leben, dann gehen

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/374>, abgerufen am 18.06.2024.