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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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sänftigte beide, sie gaben einander die Hand und mir
gute Lehren.

Die Menschen sind gut, ich bin es ihnen von Her¬
zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand spre¬
chen kann? -- Das hat nun Gott gewollt, daß ich
nur mit Dir zu Haus bin. -- Die Manen les ich im¬
mer wieder, sie wecken mich recht zum Nachdenken.
Du meinst daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? --
Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum ersten¬
mal denkt, die sind so überraschend, da scheinen einem
die Worte zu nichtig, mit denen man sie aufnimmt,
die suchen sich ihren Ausdruck, das ist man als zu zag¬
haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich
ist, aber was liegt doch dran? ich wollt immer so re¬
den wie es nicht statthaft ist, wenn es mir näher da¬
durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Musik muß
in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie ist nicht
fließend zu denken; es muß etwas der Seele so recht
angebornes geben, worin der Gedankenstrom fließt. --
Dein Brief ist ganz melodisch zu mir, vielmehr wie
Dein Gespräch. "Wenn Du noch nicht bald wie¬
der zu uns kommst, so schreibe mir wieder,
denn ich habe Dich lieb." Diese Worte haben ei¬
nen melodischen Gang, und dann: "Ich habe die

ſänftigte beide, ſie gaben einander die Hand und mir
gute Lehren.

Die Menſchen ſind gut, ich bin es ihnen von Her¬
zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand ſpre¬
chen kann? — Das hat nun Gott gewollt, daß ich
nur mit Dir zu Haus bin. — Die Manen les ich im¬
mer wieder, ſie wecken mich recht zum Nachdenken.
Du meinſt daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? —
Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum erſten¬
mal denkt, die ſind ſo überraſchend, da ſcheinen einem
die Worte zu nichtig, mit denen man ſie aufnimmt,
die ſuchen ſich ihren Ausdruck, das iſt man als zu zag¬
haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich
iſt, aber was liegt doch dran? ich wollt immer ſo re¬
den wie es nicht ſtatthaft iſt, wenn es mir näher da¬
durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Muſik muß
in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie iſt nicht
fließend zu denken; es muß etwas der Seele ſo recht
angebornes geben, worin der Gedankenſtrom fließt. —
Dein Brief iſt ganz melodiſch zu mir, vielmehr wie
Dein Geſpräch. „Wenn Du noch nicht bald wie¬
der zu uns kommſt, ſo ſchreibe mir wieder,
denn ich habe Dich lieb.“ Dieſe Worte haben ei¬
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[14/0030] ſänftigte beide, ſie gaben einander die Hand und mir gute Lehren. Die Menſchen ſind gut, ich bin es ihnen von Her¬ zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand ſpre¬ chen kann? — Das hat nun Gott gewollt, daß ich nur mit Dir zu Haus bin. — Die Manen les ich im¬ mer wieder, ſie wecken mich recht zum Nachdenken. Du meinſt daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? — Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum erſten¬ mal denkt, die ſind ſo überraſchend, da ſcheinen einem die Worte zu nichtig, mit denen man ſie aufnimmt, die ſuchen ſich ihren Ausdruck, das iſt man als zu zag¬ haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich iſt, aber was liegt doch dran? ich wollt immer ſo re¬ den wie es nicht ſtatthaft iſt, wenn es mir näher da¬ durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Muſik muß in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie iſt nicht fließend zu denken; es muß etwas der Seele ſo recht angebornes geben, worin der Gedankenſtrom fließt. — Dein Brief iſt ganz melodiſch zu mir, vielmehr wie Dein Geſpräch. „Wenn Du noch nicht bald wie¬ der zu uns kommſt, ſo ſchreibe mir wieder, denn ich habe Dich lieb.“ Dieſe Worte haben ei¬ nen melodiſchen Gang, und dann: „Ich habe die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/30>, abgerufen am 22.11.2024.