sänftigte beide, sie gaben einander die Hand und mir gute Lehren.
Die Menschen sind gut, ich bin es ihnen von Her¬ zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand spre¬ chen kann? -- Das hat nun Gott gewollt, daß ich nur mit Dir zu Haus bin. -- Die Manen les ich im¬ mer wieder, sie wecken mich recht zum Nachdenken. Du meinst daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? -- Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum ersten¬ mal denkt, die sind so überraschend, da scheinen einem die Worte zu nichtig, mit denen man sie aufnimmt, die suchen sich ihren Ausdruck, das ist man als zu zag¬ haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich ist, aber was liegt doch dran? ich wollt immer so re¬ den wie es nicht statthaft ist, wenn es mir näher da¬ durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Musik muß in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie ist nicht fließend zu denken; es muß etwas der Seele so recht angebornes geben, worin der Gedankenstrom fließt. -- Dein Brief ist ganz melodisch zu mir, vielmehr wie Dein Gespräch. "Wenn Du noch nicht bald wie¬ der zu uns kommst, so schreibe mir wieder, denn ich habe Dich lieb." Diese Worte haben ei¬ nen melodischen Gang, und dann: "Ich habe die
ſänftigte beide, ſie gaben einander die Hand und mir gute Lehren.
Die Menſchen ſind gut, ich bin es ihnen von Her¬ zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand ſpre¬ chen kann? — Das hat nun Gott gewollt, daß ich nur mit Dir zu Haus bin. — Die Manen les ich im¬ mer wieder, ſie wecken mich recht zum Nachdenken. Du meinſt daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? — Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum erſten¬ mal denkt, die ſind ſo überraſchend, da ſcheinen einem die Worte zu nichtig, mit denen man ſie aufnimmt, die ſuchen ſich ihren Ausdruck, das iſt man als zu zag¬ haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich iſt, aber was liegt doch dran? ich wollt immer ſo re¬ den wie es nicht ſtatthaft iſt, wenn es mir näher da¬ durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Muſik muß in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie iſt nicht fließend zu denken; es muß etwas der Seele ſo recht angebornes geben, worin der Gedankenſtrom fließt. — Dein Brief iſt ganz melodiſch zu mir, vielmehr wie Dein Geſpräch. „Wenn Du noch nicht bald wie¬ der zu uns kommſt, ſo ſchreibe mir wieder, denn ich habe Dich lieb.“ Dieſe Worte haben ei¬ nen melodiſchen Gang, und dann: „Ich habe die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0030"n="14"/>ſänftigte beide, ſie gaben einander die Hand und mir<lb/>
gute Lehren.</p><lb/><p>Die Menſchen ſind gut, ich bin es ihnen von Her¬<lb/>
zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand ſpre¬<lb/>
chen kann? — Das hat nun Gott gewollt, daß ich<lb/>
nur mit Dir zu Haus bin. — Die Manen les ich im¬<lb/>
mer wieder, ſie wecken mich recht zum Nachdenken.<lb/>
Du meinſt daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? —<lb/>
Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum erſten¬<lb/>
mal denkt, die ſind ſo überraſchend, da ſcheinen einem<lb/>
die Worte zu nichtig, mit denen man ſie aufnimmt,<lb/>
die ſuchen ſich ihren Ausdruck, das iſt man als zu zag¬<lb/>
haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich<lb/>
iſt, aber was liegt doch dran? ich wollt immer ſo re¬<lb/>
den wie es nicht ſtatthaft iſt, wenn es mir näher da¬<lb/>
durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Muſik muß<lb/>
in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie iſt nicht<lb/>
fließend zu denken; es muß etwas der Seele ſo recht<lb/>
angebornes geben, worin der Gedankenſtrom fließt. —<lb/>
Dein Brief iſt ganz melodiſch zu mir, vielmehr wie<lb/>
Dein Geſpräch. „<hirendition="#g">Wenn Du noch nicht bald wie</hi>¬<lb/><hirendition="#g">der zu uns kommſt</hi>, <hirendition="#g">ſo ſchreibe mir wieder</hi>,<lb/><hirendition="#g">denn ich habe Dich lieb</hi>.“ Dieſe Worte haben ei¬<lb/>
nen melodiſchen Gang, und dann: „<hirendition="#g">Ich habe die<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0030]
ſänftigte beide, ſie gaben einander die Hand und mir
gute Lehren.
Die Menſchen ſind gut, ich bin es ihnen von Her¬
zen, aber wie das kommt, daß ich mit Niemand ſpre¬
chen kann? — Das hat nun Gott gewollt, daß ich
nur mit Dir zu Haus bin. — Die Manen les ich im¬
mer wieder, ſie wecken mich recht zum Nachdenken.
Du meinſt daß Dir die Sprache nicht drinn gefällt? —
Ich glaub, daß große Gedanken, die man zum erſten¬
mal denkt, die ſind ſo überraſchend, da ſcheinen einem
die Worte zu nichtig, mit denen man ſie aufnimmt,
die ſuchen ſich ihren Ausdruck, das iſt man als zu zag¬
haft einen zu gebrauchen, der noch nicht gebräuchlich
iſt, aber was liegt doch dran? ich wollt immer ſo re¬
den wie es nicht ſtatthaft iſt, wenn es mir näher da¬
durch kommt in der Seel, ich glaub gewiß, Muſik muß
in der Seele walten, Stimmung ohne Melodie iſt nicht
fließend zu denken; es muß etwas der Seele ſo recht
angebornes geben, worin der Gedankenſtrom fließt. —
Dein Brief iſt ganz melodiſch zu mir, vielmehr wie
Dein Geſpräch. „Wenn Du noch nicht bald wie¬
der zu uns kommſt, ſo ſchreibe mir wieder,
denn ich habe Dich lieb.“ Dieſe Worte haben ei¬
nen melodiſchen Gang, und dann: „Ich habe die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/30>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.