vor Freud; Herzklopfen ist so was angenehmes, und denn wars grad als ließen sie sich recht gern stehlen, sie fielen mir in die Hand, ich hatte mir ein Tuch um den Hals gebunden da warf ich sie hinein, zwanzig! -- ich war recht froh wie ich sie all hatte, und glücklich auf meiner Stube war, da hab ich sie alle in die jungen Weinblätter gepackt, die sind vom zweiten Schuß und haben einen so weichen Sammt auf der linken Seite. Da liegen sie in der Schachtel und gucken mich an als hätten sie Appetit auf einen Biß von meinem Mund, aber da wird nichts draus, sie sind all für Dich, sie müssen sichs vergehn lassen von mir gespeist zu wer¬ den. Esse sie Günderod, sie sind gut, Gott hat sie ge¬ schaffen für Entzündungen, damit die aus dem Blut wieder in den Geist zurückgehen soll, aus dem sie ei¬ gentlich nur ausgetreten war ins Blut. Laß nur nicht zur Ader, denn wie gesagt, es ahnt mir, daß dadurch etwas im Menschen zu Grunde gehen könne, vielleicht das echte Heldenthum; wer weiß, ob nicht einer, der einmal Ader gelassen hat, hierdurch nicht seine ganze Nachkommen um die Tapferkeit gebracht hat, und daß diese Tugend eben darum jetzt so rar ist. -- Das Ader¬ laßmännchen ist der Teufel, der hat sich so ganz sachte in den Kalender geschlichen, um die Menschen um das
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vor Freud; Herzklopfen iſt ſo was angenehmes, und denn wars grad als ließen ſie ſich recht gern ſtehlen, ſie fielen mir in die Hand, ich hatte mir ein Tuch um den Hals gebunden da warf ich ſie hinein, zwanzig! — ich war recht froh wie ich ſie all hatte, und glücklich auf meiner Stube war, da hab ich ſie alle in die jungen Weinblätter gepackt, die ſind vom zweiten Schuß und haben einen ſo weichen Sammt auf der linken Seite. Da liegen ſie in der Schachtel und gucken mich an als hätten ſie Appetit auf einen Biß von meinem Mund, aber da wird nichts draus, ſie ſind all für Dich, ſie müſſen ſichs vergehn laſſen von mir geſpeiſt zu wer¬ den. Eſſe ſie Günderod, ſie ſind gut, Gott hat ſie ge¬ ſchaffen für Entzündungen, damit die aus dem Blut wieder in den Geiſt zurückgehen ſoll, aus dem ſie ei¬ gentlich nur ausgetreten war ins Blut. Laß nur nicht zur Ader, denn wie geſagt, es ahnt mir, daß dadurch etwas im Menſchen zu Grunde gehen könne, vielleicht das echte Heldenthum; wer weiß, ob nicht einer, der einmal Ader gelaſſen hat, hierdurch nicht ſeine ganze Nachkommen um die Tapferkeit gebracht hat, und daß dieſe Tugend eben darum jetzt ſo rar iſt. — Das Ader¬ laßmännchen iſt der Teufel, der hat ſich ſo ganz ſachte in den Kalender geſchlichen, um die Menſchen um das
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vor Freud; Herzklopfen iſt ſo was angenehmes, und
denn wars grad als ließen ſie ſich recht gern ſtehlen,
ſie fielen mir in die Hand, ich hatte mir ein Tuch um
den Hals gebunden da warf ich ſie hinein, zwanzig! —
ich war recht froh wie ich ſie all hatte, und glücklich
auf meiner Stube war, da hab ich ſie alle in die jungen
Weinblätter gepackt, die ſind vom zweiten Schuß und
haben einen ſo weichen Sammt auf der linken Seite.
Da liegen ſie in der Schachtel und gucken mich an als
hätten ſie Appetit auf einen Biß von meinem Mund,
aber da wird nichts draus, ſie ſind all für Dich, ſie
müſſen ſichs vergehn laſſen von mir geſpeiſt zu wer¬
den. Eſſe ſie Günderod, ſie ſind gut, Gott hat ſie ge¬
ſchaffen für Entzündungen, damit die aus dem Blut
wieder in den Geiſt zurückgehen ſoll, aus dem ſie ei¬
gentlich nur ausgetreten war ins Blut. Laß nur nicht
zur Ader, denn wie geſagt, es ahnt mir, daß dadurch
etwas im Menſchen zu Grunde gehen könne, vielleicht
das echte Heldenthum; wer weiß, ob nicht einer, der
einmal Ader gelaſſen hat, hierdurch nicht ſeine ganze
Nachkommen um die Tapferkeit gebracht hat, und daß
dieſe Tugend eben darum jetzt ſo rar iſt. — Das Ader¬
laßmännchen iſt der Teufel, der hat ſich ſo ganz ſachte
in den Kalender geſchlichen, um die Menſchen um das
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/281>, abgerufen am 27.11.2024.
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