geheimer Wille in der Seele groß zu sein. Das er¬ quickt wie Thau, den eignen Genius die Ursprache füh¬ ren zu hören, -- Nicht wahr? -- O wir möchten auch so sein wie diese Töne, die rasch ihrem Ziele zuschrei¬ ten ohne zu wanken. Da umfassen sie die Fülle, und dann, in jedem Rhythmus ein tief Geheimniß inner¬ licher Gestaltung, aber der Mensch nicht. Gewiß, Melodien sind gottgeschaffne Wesen, die in sich fort¬ leben, jeder Gedanke aus der Seele hervor leben¬ dig, der Mensch erzeugt die Gedanken nicht, sie er¬ zeugen den Menschen. -- Ach! Ach! Ach! -- da fällt nur ein Lindenblüthchen auf die Nas -- und da regnets ein Bischen; was schreib ich doch hier dumm Zeug hin, und kanns kaum mehr lesen, jetzt dämmerts schon stark -- wie schön doch die Natur ihren Schleier ausbreitet -- so licht, so durchsichtig -- jetzt fangen die Pflanzen¬ seelen an umher zu schweifen, und die Orangen im Boskett. Und der Lindenduft -- es kommt Well auf Well herüber geströmt -- es wird schon dunkel -- Nachtigallen werden so eifrig -- sie schmettern recht in die Mondstille, -- ach wir wollen was recht großes thun -- wir wollen nicht umsonst zusammen getroffen haben in dieser Welt -- laß uns eine Religion stiften für die Menschheit, bei ders ihr wieder wohl wird --
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geheimer Wille in der Seele groß zu ſein. Das er¬ quickt wie Thau, den eignen Genius die Urſprache füh¬ ren zu hören, — Nicht wahr? — O wir möchten auch ſo ſein wie dieſe Töne, die raſch ihrem Ziele zuſchrei¬ ten ohne zu wanken. Da umfaſſen ſie die Fülle, und dann, in jedem Rhythmus ein tief Geheimniß inner¬ licher Geſtaltung, aber der Menſch nicht. Gewiß, Melodien ſind gottgeſchaffne Weſen, die in ſich fort¬ leben, jeder Gedanke aus der Seele hervor leben¬ dig, der Menſch erzeugt die Gedanken nicht, ſie er¬ zeugen den Menſchen. — Ach! Ach! Ach! — da fällt nur ein Lindenblüthchen auf die Nas — und da regnets ein Biſchen; was ſchreib ich doch hier dumm Zeug hin, und kanns kaum mehr leſen, jetzt dämmerts ſchon ſtark — wie ſchön doch die Natur ihren Schleier ausbreitet — ſo licht, ſo durchſichtig — jetzt fangen die Pflanzen¬ ſeelen an umher zu ſchweifen, und die Orangen im Boskett. Und der Lindenduft — es kommt Well auf Well herüber geſtrömt — es wird ſchon dunkel — Nachtigallen werden ſo eifrig — ſie ſchmettern recht in die Mondſtille, — ach wir wollen was recht großes thun — wir wollen nicht umſonſt zuſammen getroffen haben in dieſer Welt — laß uns eine Religion ſtiften für die Menſchheit, bei ders ihr wieder wohl wird —
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geheimer Wille in der Seele groß zu ſein. Das er¬
quickt wie Thau, den eignen Genius die Urſprache füh¬
ren zu hören, — Nicht wahr? — O wir möchten auch
ſo ſein wie dieſe Töne, die raſch ihrem Ziele zuſchrei¬
ten ohne zu wanken. Da umfaſſen ſie die Fülle, und
dann, in jedem Rhythmus ein tief Geheimniß inner¬
licher Geſtaltung, aber der Menſch nicht. Gewiß,
Melodien ſind gottgeſchaffne Weſen, die in ſich fort¬
leben, jeder Gedanke aus der Seele hervor leben¬
dig, der Menſch erzeugt die Gedanken nicht, ſie er¬
zeugen den Menſchen. — Ach! Ach! Ach! — da fällt
nur ein Lindenblüthchen auf die Nas — und da regnets
ein Biſchen; was ſchreib ich doch hier dumm Zeug hin,
und kanns kaum mehr leſen, jetzt dämmerts ſchon ſtark
— wie ſchön doch die Natur ihren Schleier ausbreitet
— ſo licht, ſo durchſichtig — jetzt fangen die Pflanzen¬
ſeelen an umher zu ſchweifen, und die Orangen im
Boskett. Und der Lindenduft — es kommt Well auf
Well herüber geſtrömt — es wird ſchon dunkel —
Nachtigallen werden ſo eifrig — ſie ſchmettern recht in
die Mondſtille, — ach wir wollen was recht großes
thun — wir wollen nicht umſonſt zuſammen getroffen
haben in dieſer Welt — laß uns eine Religion ſtiften
für die Menſchheit, bei ders ihr wieder wohl wird —
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/265>, abgerufen am 25.11.2024.
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