wenn ich ein Zeichen des Schauderns, der Thränen zu machen wüßte, so könnte ich die Blätter voll der merk¬ würdigsten Gefühle bezeichnen, denen ich keine Namen zu geben weiß. -- Das Geisblatt, das da herabschwankt über die Latten, blüht dies Jahr viel üppiger. Weißt Du, das war unser erst Wort, ich sagte zu Dir: es war ein recht kalter Winter dies Jahr, der Hanenfuß hat seine meisten Zweige erfroren, die Laube giebt wenig Schatten; da sagtest Du: die Sonne giebt und die Laube nimmt, was sie nicht fassen kann vom Licht das muß sie durchlassen zu uns, und dann sagtest Du diese Pflanze sei schöner benannt Geisblatt als Hahnenfuß, weil man dabei eine schöne Ziege sich denke, die mit Anmuth gewürzige Blumen fresse, und daß die Natur für jedes Geschöpf ein idealisch Leben darbiete. -- Und wie die Elemente in ungestörter Wirkung das Leben er¬ zeugen, tragen, nähren und vollenden, so bereite sich im Genuß einer ungestörten Entwickelung abermal ein Ele¬ ment, in dem das Ideal des Geistes blühen, gedeihen und sich vollenden könne. -- Und dann sagtest Du, ich solle mich doch weiß kleiden der Natur zu Lieb, die rund um uns her so herrliche Blumen aufsprieße, dabei ein Kleid tragen zu wollen mit gedruckten Blumen, das sei geschmacklos und man müsse im Einklang leben wollen
wenn ich ein Zeichen des Schauderns, der Thränen zu machen wüßte, ſo könnte ich die Blätter voll der merk¬ würdigſten Gefühle bezeichnen, denen ich keine Namen zu geben weiß. — Das Geisblatt, das da herabſchwankt über die Latten, blüht dies Jahr viel üppiger. Weißt Du, das war unſer erſt Wort, ich ſagte zu Dir: es war ein recht kalter Winter dies Jahr, der Hanenfuß hat ſeine meiſten Zweige erfroren, die Laube giebt wenig Schatten; da ſagteſt Du: die Sonne giebt und die Laube nimmt, was ſie nicht faſſen kann vom Licht das muß ſie durchlaſſen zu uns, und dann ſagteſt Du dieſe Pflanze ſei ſchöner benannt Geisblatt als Hahnenfuß, weil man dabei eine ſchöne Ziege ſich denke, die mit Anmuth gewürzige Blumen freſſe, und daß die Natur für jedes Geſchöpf ein idealiſch Leben darbiete. — Und wie die Elemente in ungeſtörter Wirkung das Leben er¬ zeugen, tragen, nähren und vollenden, ſo bereite ſich im Genuß einer ungeſtörten Entwickelung abermal ein Ele¬ ment, in dem das Ideal des Geiſtes blühen, gedeihen und ſich vollenden könne. — Und dann ſagteſt Du, ich ſolle mich doch weiß kleiden der Natur zu Lieb, die rund um uns her ſo herrliche Blumen aufſprieße, dabei ein Kleid tragen zu wollen mit gedruckten Blumen, das ſei geſchmacklos und man müſſe im Einklang leben wollen
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wenn ich ein Zeichen des Schauderns, der Thränen zu
machen wüßte, ſo könnte ich die Blätter voll der merk¬
würdigſten Gefühle bezeichnen, denen ich keine Namen
zu geben weiß. — Das Geisblatt, das da herabſchwankt
über die Latten, blüht dies Jahr viel üppiger. Weißt
Du, das war unſer erſt Wort, ich ſagte zu Dir: es war
ein recht kalter Winter dies Jahr, der Hanenfuß hat
ſeine meiſten Zweige erfroren, die Laube giebt wenig
Schatten; da ſagteſt Du: die Sonne giebt und die
Laube nimmt, was ſie nicht faſſen kann vom Licht das
muß ſie durchlaſſen zu uns, und dann ſagteſt Du dieſe
Pflanze ſei ſchöner benannt Geisblatt als Hahnenfuß,
weil man dabei eine ſchöne Ziege ſich denke, die mit
Anmuth gewürzige Blumen freſſe, und daß die Natur
für jedes Geſchöpf ein idealiſch Leben darbiete. — Und
wie die Elemente in ungeſtörter Wirkung das Leben er¬
zeugen, tragen, nähren und vollenden, ſo bereite ſich im
Genuß einer ungeſtörten Entwickelung abermal ein Ele¬
ment, in dem das Ideal des Geiſtes blühen, gedeihen
und ſich vollenden könne. — Und dann ſagteſt Du, ich
ſolle mich doch weiß kleiden der Natur zu Lieb, die rund
um uns her ſo herrliche Blumen aufſprieße, dabei ein
Kleid tragen zu wollen mit gedruckten Blumen, das ſei
geſchmacklos und man müſſe im Einklang leben wollen
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/260>, abgerufen am 25.11.2024.
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