alles reinigen vom Staub, daß es leuchte im Dämmer¬ licht; dann, nach der Arbeit die heiße Stirn auf die küh¬ len Stufen legen und ruhen, in heimlichem Genügen; ruhen die Brust, die schwillt von Thränen, daß es so schön ist in der dämmrigen Stille im Tempel; so scheint mir auch die heutige Arbeit ein Tempeldienst der Natur; dann ihre Blumen in Kreisen schön verschlingen, ist das nicht ihr gedient? -- Die Blumen, die ihren Duft un¬ ter einander schwenken in so dichter Fülle, ist denen nicht ein schönerer Frühling bereitet? -- denn was uns schöner ist in der Natur, ist das nicht auch ihr selber schöner? -- Und ihre Bäume vom Moos reinigen, in nachbarliche Reihen pflanzen, ihre Blumenkelche fül¬ len, ist das nicht ihrem Willen sich hingeben? -- Läßt sie die Sorge nicht gedeihen, und giebt der Früchte vom gepropften Reiß mehr und schöner und süßer da¬ für? -- Tempel und Natur, friedliche Nachbarn, Freunde! wie ich und Du, theilen ihre Gaben wie ich und Du. -- Vom Frühling bis zum Winter -- (da hast Du mein Gelübde) theil ich mit Dir, wie mit dem Tempel der Naturgarten der ihn umzieht -- im Frühling hast Du meine Keime, die alle dicht um Dich her aufwachen. Im Sommer wilder Vögelgesang, der anschlägt in ein¬ samer Nacht an deinen verschlossnen Pforten, und dann in
alles reinigen vom Staub, daß es leuchte im Dämmer¬ licht; dann, nach der Arbeit die heiße Stirn auf die küh¬ len Stufen legen und ruhen, in heimlichem Genügen; ruhen die Bruſt, die ſchwillt von Thränen, daß es ſo ſchön iſt in der dämmrigen Stille im Tempel; ſo ſcheint mir auch die heutige Arbeit ein Tempeldienſt der Natur; dann ihre Blumen in Kreiſen ſchön verſchlingen, iſt das nicht ihr gedient? — Die Blumen, die ihren Duft un¬ ter einander ſchwenken in ſo dichter Fülle, iſt denen nicht ein ſchönerer Frühling bereitet? — denn was uns ſchöner iſt in der Natur, iſt das nicht auch ihr ſelber ſchöner? — Und ihre Bäume vom Moos reinigen, in nachbarliche Reihen pflanzen, ihre Blumenkelche fül¬ len, iſt das nicht ihrem Willen ſich hingeben? — Läßt ſie die Sorge nicht gedeihen, und giebt der Früchte vom gepropften Reiß mehr und ſchöner und ſüßer da¬ für? — Tempel und Natur, friedliche Nachbarn, Freunde! wie ich und Du, theilen ihre Gaben wie ich und Du. — Vom Frühling bis zum Winter — (da haſt Du mein Gelübde) theil ich mit Dir, wie mit dem Tempel der Naturgarten der ihn umzieht — im Frühling haſt Du meine Keime, die alle dicht um Dich her aufwachen. Im Sommer wilder Vögelgeſang, der anſchlägt in ein¬ ſamer Nacht an deinen verſchloſſnen Pforten, und dann in
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[202/0218]
alles reinigen vom Staub, daß es leuchte im Dämmer¬
licht; dann, nach der Arbeit die heiße Stirn auf die küh¬
len Stufen legen und ruhen, in heimlichem Genügen;
ruhen die Bruſt, die ſchwillt von Thränen, daß es ſo
ſchön iſt in der dämmrigen Stille im Tempel; ſo ſcheint
mir auch die heutige Arbeit ein Tempeldienſt der Natur;
dann ihre Blumen in Kreiſen ſchön verſchlingen, iſt das
nicht ihr gedient? — Die Blumen, die ihren Duft un¬
ter einander ſchwenken in ſo dichter Fülle, iſt denen
nicht ein ſchönerer Frühling bereitet? — denn was uns
ſchöner iſt in der Natur, iſt das nicht auch ihr ſelber
ſchöner? — Und ihre Bäume vom Moos reinigen,
in nachbarliche Reihen pflanzen, ihre Blumenkelche fül¬
len, iſt das nicht ihrem Willen ſich hingeben? — Läßt
ſie die Sorge nicht gedeihen, und giebt der Früchte
vom gepropften Reiß mehr und ſchöner und ſüßer da¬
für? — Tempel und Natur, friedliche Nachbarn, Freunde!
wie ich und Du, theilen ihre Gaben wie ich und Du.
— Vom Frühling bis zum Winter — (da haſt Du
mein Gelübde) theil ich mit Dir, wie mit dem Tempel
der Naturgarten der ihn umzieht — im Frühling haſt
Du meine Keime, die alle dicht um Dich her aufwachen.
Im Sommer wilder Vögelgeſang, der anſchlägt in ein¬
ſamer Nacht an deinen verſchloſſnen Pforten, und dann in
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/218>, abgerufen am 24.11.2024.
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