und mir den heiligen Weg zum Tempel der Begeistrung vertreten, auf dem Du so ruhig dahin wallest, und mir die Zaubergärten der Phantasie unsicher und unheimlich machen, die Dich in ihre tausendfarbigen Schatten auf¬ nehmen. -- Thut der Lehrer den Mund auf, so sehe ich hinein wie in einen unabsehbaren Schlund, der die Mam¬ muthsknochen der Vergangenheit ausspeit, und allerlei versteinert Zeug, das nicht keimen, nicht blühen mehr will, wo Sonn und Regen nicht lohnt. -- Indeß brennt mir der Boden unter den Füßen, um die Gegenwart, um die ich mich bewerben möcht, ohne mich grad erst der Vergangenheit auf den Amboß zu legen und da plattschlagen zu lassen. Du sprichst von meinem Wahr¬ nehmungsvermögen mit Respekt; hab ichs aus der Ver¬ gangenheit empfangen wie Du meinst, -- wenn ich Dich nämlich recht versteh, so weiß ichs doch nicht wies zu¬ ging. -- Ists der Genius, der dort herüber gewallt kommt? -- das willst Du mir weiß machen! -- fei¬ ner Schelm! -- Mein Genius, der blonde, dem der Bart noch nicht keimt, -- sollte aus dem Schimmel herausgewachsen sein wie ein Erdschwamm! -- Wahr¬ lich, es giebt Geister, die drehen sich um sich selber wie Sonnen; sie kommen nicht woher und gehen nicht wo¬ hin, sie tanzen auf dem Platz, Taumeln ist ihr Ver¬
und mir den heiligen Weg zum Tempel der Begeiſtrung vertreten, auf dem Du ſo ruhig dahin walleſt, und mir die Zaubergärten der Phantaſie unſicher und unheimlich machen, die Dich in ihre tauſendfarbigen Schatten auf¬ nehmen. — Thut der Lehrer den Mund auf, ſo ſehe ich hinein wie in einen unabſehbaren Schlund, der die Mam¬ muthsknochen der Vergangenheit ausſpeit, und allerlei verſteinert Zeug, das nicht keimen, nicht blühen mehr will, wo Sonn und Regen nicht lohnt. — Indeß brennt mir der Boden unter den Füßen, um die Gegenwart, um die ich mich bewerben möcht, ohne mich grad erſt der Vergangenheit auf den Amboß zu legen und da plattſchlagen zu laſſen. Du ſprichſt von meinem Wahr¬ nehmungsvermögen mit Reſpekt; hab ichs aus der Ver¬ gangenheit empfangen wie Du meinſt, — wenn ich Dich nämlich recht verſteh, ſo weiß ichs doch nicht wies zu¬ ging. — Iſts der Genius, der dort herüber gewallt kommt? — das willſt Du mir weiß machen! — fei¬ ner Schelm! — Mein Genius, der blonde, dem der Bart noch nicht keimt, — ſollte aus dem Schimmel herausgewachſen ſein wie ein Erdſchwamm! — Wahr¬ lich, es giebt Geiſter, die drehen ſich um ſich ſelber wie Sonnen; ſie kommen nicht woher und gehen nicht wo¬ hin, ſie tanzen auf dem Platz, Taumeln iſt ihr Ver¬
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und mir den heiligen Weg zum Tempel der Begeiſtrung
vertreten, auf dem Du ſo ruhig dahin walleſt, und mir
die Zaubergärten der Phantaſie unſicher und unheimlich
machen, die Dich in ihre tauſendfarbigen Schatten auf¬
nehmen. — Thut der Lehrer den Mund auf, ſo ſehe ich
hinein wie in einen unabſehbaren Schlund, der die Mam¬
muthsknochen der Vergangenheit ausſpeit, und allerlei
verſteinert Zeug, das nicht keimen, nicht blühen mehr
will, wo Sonn und Regen nicht lohnt. — Indeß brennt
mir der Boden unter den Füßen, um die Gegenwart,
um die ich mich bewerben möcht, ohne mich grad erſt
der Vergangenheit auf den Amboß zu legen und da
plattſchlagen zu laſſen. Du ſprichſt von meinem Wahr¬
nehmungsvermögen mit Reſpekt; hab ichs aus der Ver¬
gangenheit empfangen wie Du meinſt, — wenn ich Dich
nämlich recht verſteh, ſo weiß ichs doch nicht wies zu¬
ging. — Iſts der Genius, der dort herüber gewallt
kommt? — das willſt Du mir weiß machen! — fei¬
ner Schelm! — Mein Genius, der blonde, dem der
Bart noch nicht keimt, — ſollte aus dem Schimmel
herausgewachſen ſein wie ein Erdſchwamm! — Wahr¬
lich, es giebt Geiſter, die drehen ſich um ſich ſelber wie
Sonnen; ſie kommen nicht woher und gehen nicht wo¬
hin, ſie tanzen auf dem Platz, Taumeln iſt ihr Ver¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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