durch die gesammelten Wassertropfen auf mich tropfte, wo ich im Netz gefangen lag all der blühenden Gräser, dort war mirs klar: Nicht was wir mit den Sinnen vernehmen ist wahre Wollust, nein! -- vielmehr das was unsere Sinne bewegt -- zum Mitleben, Mitschaf¬ fen, das ist Leben, das ist Wollust, -- Wirkend sein! -- Genug, die Geister waren mächtig in mir während der Musik; deutlich riefen sie mir zu: Eine Geige nimm und fall ein, so wie du fühlst, daß du zur Entfaltung des Harmonienstroms mitwirken kannst, und kannst ihn heben und dich geltend machen im Verbrausen deiner Begeistrung; -- und dort auf der Höhe dich ausdeh¬ nen, dich fühlen in jedem Ton durch die Verwandtschaft deiner Stimme mit. -- Sollte Einer Harmonielehre ver¬ stehen und mit Verstand anwenden, er müßte heimlich die Welt beherrschen, ohne daß es einer merkt, und das ganze Universum kläng ihm wie eine Symphonie und die ganze Weltgeschichte trommelte und pfiff und schal¬ meiete zu seinem großen Weltplaisir.
Ja ich verstehs, dem Hoffmann werd ichs zwar so nicht sagen, dem werd ich den ersten, zweiten und drit¬ ten Grad aller Verwandtschaften darlegen, und wie al¬ les mir unterworfen ist zu dienen, wie ich jedem die Herrschaft übertragen kann, und wieder abnehmen und
durch die geſammelten Waſſertropfen auf mich tropfte, wo ich im Netz gefangen lag all der blühenden Gräſer, dort war mirs klar: Nicht was wir mit den Sinnen vernehmen iſt wahre Wolluſt, nein! — vielmehr das was unſere Sinne bewegt — zum Mitleben, Mitſchaf¬ fen, das iſt Leben, das iſt Wolluſt, — Wirkend ſein! — Genug, die Geiſter waren mächtig in mir während der Muſik; deutlich riefen ſie mir zu: Eine Geige nimm und fall ein, ſo wie du fühlſt, daß du zur Entfaltung des Harmonienſtroms mitwirken kannſt, und kannſt ihn heben und dich geltend machen im Verbrauſen deiner Begeiſtrung; — und dort auf der Höhe dich ausdeh¬ nen, dich fühlen in jedem Ton durch die Verwandtſchaft deiner Stimme mit. — Sollte Einer Harmonielehre ver¬ ſtehen und mit Verſtand anwenden, er müßte heimlich die Welt beherrſchen, ohne daß es einer merkt, und das ganze Univerſum kläng ihm wie eine Symphonie und die ganze Weltgeſchichte trommelte und pfiff und ſchal¬ meiete zu ſeinem großen Weltplaiſir.
Ja ich verſtehs, dem Hoffmann werd ichs zwar ſo nicht ſagen, dem werd ich den erſten, zweiten und drit¬ ten Grad aller Verwandtſchaften darlegen, und wie al¬ les mir unterworfen iſt zu dienen, wie ich jedem die Herrſchaft übertragen kann, und wieder abnehmen und
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durch die geſammelten Waſſertropfen auf mich tropfte,
wo ich im Netz gefangen lag all der blühenden Gräſer,
dort war mirs klar: Nicht was wir mit den Sinnen
vernehmen iſt wahre Wolluſt, nein! — vielmehr das
was unſere Sinne bewegt — zum Mitleben, Mitſchaf¬
fen, das iſt Leben, das iſt Wolluſt, — Wirkend ſein! —
Genug, die Geiſter waren mächtig in mir während der
Muſik; deutlich riefen ſie mir zu: Eine Geige nimm
und fall ein, ſo wie du fühlſt, daß du zur Entfaltung
des Harmonienſtroms mitwirken kannſt, und kannſt ihn
heben und dich geltend machen im Verbrauſen deiner
Begeiſtrung; — und dort auf der Höhe dich ausdeh¬
nen, dich fühlen in jedem Ton durch die Verwandtſchaft
deiner Stimme mit. — Sollte Einer Harmonielehre ver¬
ſtehen und mit Verſtand anwenden, er müßte heimlich
die Welt beherrſchen, ohne daß es einer merkt, und das
ganze Univerſum kläng ihm wie eine Symphonie und
die ganze Weltgeſchichte trommelte und pfiff und ſchal¬
meiete zu ſeinem großen Weltplaiſir.
Ja ich verſtehs, dem Hoffmann werd ichs zwar ſo
nicht ſagen, dem werd ich den erſten, zweiten und drit¬
ten Grad aller Verwandtſchaften darlegen, und wie al¬
les mir unterworfen iſt zu dienen, wie ich jedem die
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/190>, abgerufen am 25.11.2024.
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