sprünge auf einander folgen können. Ich glaubs, aber begreifs nicht; -- betrachten? -- kann man denn alles betrachten, wie man will? -- kann ich die Wolken da oben betrachten wie mein Daunenbett, so werden sie doch nicht herunter kommen, mich zudecken. Der kleine Hofmann sieht mich an, erstaunt über meine Dummheit und wird selbst ganz dumm, denn er verstummt. End¬ lich sagt er ganz freundlich, das nächstemal werde er gewiß eine Form gefunden haben, um mirs begreiflich zu machen, er ging in die Musikprobe, wo er tausend Har¬ moniensprünge mitspringen wird. Käm doch bald die nächste Stund, am Tanz der Dreiklänge möcht ich er¬ proben, ob mein Geist auch einen kühnen Sprung thun kann, oder ob ich geboren bin, kriechend zu lernen wie die Raupe. -- Wahrlich, ich möchte gern wissen; -- nicht wie mit der alten raupenfräßigen Geschichte. -- Ach Gott! -- ich hab keine Aussicht! -- Gestern Abend ging ich noch nach dem Nachtessen hier im Garten; da hört ich ordentlich das Gras wachsen, aber so was gilt nicht für Gescheutheit oder Verstand. Die grünen Äpfel am Spalier unterm grauen Laub, die bepelzten Pfirsich muß ich respektiren, die kommen vorwärts, aber ich -- da wollt ich mich besinnen auf was ich von je an gelernt hab, da kann ich doch nicht die Gebetchen
ſprünge auf einander folgen können. Ich glaubs, aber begreifs nicht; — betrachten? — kann man denn alles betrachten, wie man will? — kann ich die Wolken da oben betrachten wie mein Daunenbett, ſo werden ſie doch nicht herunter kommen, mich zudecken. Der kleine Hofmann ſieht mich an, erſtaunt über meine Dummheit und wird ſelbſt ganz dumm, denn er verſtummt. End¬ lich ſagt er ganz freundlich, das nächſtemal werde er gewiß eine Form gefunden haben, um mirs begreiflich zu machen, er ging in die Muſikprobe, wo er tauſend Har¬ monienſprünge mitſpringen wird. Käm doch bald die nächſte Stund, am Tanz der Dreiklänge möcht ich er¬ proben, ob mein Geiſt auch einen kühnen Sprung thun kann, oder ob ich geboren bin, kriechend zu lernen wie die Raupe. — Wahrlich, ich möchte gern wiſſen; — nicht wie mit der alten raupenfräßigen Geſchichte. — Ach Gott! — ich hab keine Ausſicht! — Geſtern Abend ging ich noch nach dem Nachteſſen hier im Garten; da hört ich ordentlich das Gras wachſen, aber ſo was gilt nicht für Geſcheutheit oder Verſtand. Die grünen Äpfel am Spalier unterm grauen Laub, die bepelzten Pfirſich muß ich reſpektiren, die kommen vorwärts, aber ich — da wollt ich mich beſinnen auf was ich von je an gelernt hab, da kann ich doch nicht die Gebetchen
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ſprünge auf einander folgen können. Ich glaubs, aber
begreifs nicht; — betrachten? — kann man denn alles
betrachten, wie man will? — kann ich die Wolken da
oben betrachten wie mein Daunenbett, ſo werden ſie
doch nicht herunter kommen, mich zudecken. Der kleine
Hofmann ſieht mich an, erſtaunt über meine Dummheit
und wird ſelbſt ganz dumm, denn er verſtummt. End¬
lich ſagt er ganz freundlich, das nächſtemal werde er
gewiß eine Form gefunden haben, um mirs begreiflich zu
machen, er ging in die Muſikprobe, wo er tauſend Har¬
monienſprünge mitſpringen wird. Käm doch bald die
nächſte Stund, am Tanz der Dreiklänge möcht ich er¬
proben, ob mein Geiſt auch einen kühnen Sprung thun
kann, oder ob ich geboren bin, kriechend zu lernen wie
die Raupe. — Wahrlich, ich möchte gern wiſſen; —
nicht wie mit der alten raupenfräßigen Geſchichte. —
Ach Gott! — ich hab keine Ausſicht! — Geſtern Abend
ging ich noch nach dem Nachteſſen hier im Garten;
da hört ich ordentlich das Gras wachſen, aber ſo was
gilt nicht für Geſcheutheit oder Verſtand. Die grünen
Äpfel am Spalier unterm grauen Laub, die bepelzten
Pfirſich muß ich reſpektiren, die kommen vorwärts, aber
ich — da wollt ich mich beſinnen auf was ich von je
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/186>, abgerufen am 25.11.2024.
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