zwischen dem Pfahl und der Stadtmauer ein Ritz, -- Hand breit -- wenn ich die Oberkleider abwerf und den Athem anhalt, so kann ich durch, und nun ge¬ schwind alles, was mich hinderte, an die Erd geworfen und durch war ich, da setzte ich mich aber erst auf den Eckstein am Thor und lachte, und das schallte die Straße hinab und fand ein Echo und schallte wieder herauf. -- Ach ich bitte Dich, lach nicht, Du weckst alle Leute auf und die können uns wer weiß was thun, flehte sie durch den Ritz, -- ich nahm mich zusammen, besichtigte das Thor, fand daß es mit zwei starken ei¬ sernen Riegeln zugebummst war, nahm einen Stein und klopfte die Riegel zurück. "Mach keinen Lärm, poltere nicht so," -- aber das half nicht, ich war im hei¬ ßen Eifer, das Thor mußte weichen, auf einmal gingen beide Flügel aus einander, und da stand sie vor mir und hielt ihren Einzug; jetzt wanderten wir schweigend durch die Straßen und musterten die Häuser, wir klopf¬ ten an den Thüren, an den Laden, kein Laut gab Ant¬ wort, endlich öffnet sich ein Giebelfensterchen, ein Männ¬ chen guckt heraus mit einem brennenden Kienspahn in die Luft leuchtend, bei dessen Flamme wir ein bebarte¬ tes Kinn entdecken, und also auf ein ungetauftes Mit¬ glied der Menschheit schließen, welches seine Stimme
zwiſchen dem Pfahl und der Stadtmauer ein Ritz, — Hand breit — wenn ich die Oberkleider abwerf und den Athem anhalt, ſo kann ich durch, und nun ge¬ ſchwind alles, was mich hinderte, an die Erd geworfen und durch war ich, da ſetzte ich mich aber erſt auf den Eckſtein am Thor und lachte, und das ſchallte die Straße hinab und fand ein Echo und ſchallte wieder herauf. — Ach ich bitte Dich, lach nicht, Du weckſt alle Leute auf und die können uns wer weiß was thun, flehte ſie durch den Ritz, — ich nahm mich zuſammen, beſichtigte das Thor, fand daß es mit zwei ſtarken ei¬ ſernen Riegeln zugebummſt war, nahm einen Stein und klopfte die Riegel zurück. „Mach keinen Lärm, poltere nicht ſo,“ — aber das half nicht, ich war im hei¬ ßen Eifer, das Thor mußte weichen, auf einmal gingen beide Flügel aus einander, und da ſtand ſie vor mir und hielt ihren Einzug; jetzt wanderten wir ſchweigend durch die Straßen und muſterten die Häuſer, wir klopf¬ ten an den Thüren, an den Laden, kein Laut gab Ant¬ wort, endlich öffnet ſich ein Giebelfenſterchen, ein Männ¬ chen guckt heraus mit einem brennenden Kienſpahn in die Luft leuchtend, bei deſſen Flamme wir ein bebarte¬ tes Kinn entdecken, und alſo auf ein ungetauftes Mit¬ glied der Menſchheit ſchließen, welches ſeine Stimme
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zwiſchen dem Pfahl und der Stadtmauer ein Ritz, —
Hand breit — wenn ich die Oberkleider abwerf und
den Athem anhalt, ſo kann ich durch, und nun ge¬
ſchwind alles, was mich hinderte, an die Erd geworfen
und durch war ich, da ſetzte ich mich aber erſt auf den
Eckſtein am Thor und lachte, und das ſchallte die
Straße hinab und fand ein Echo und ſchallte wieder
herauf. — Ach ich bitte Dich, lach nicht, Du weckſt alle
Leute auf und die können uns wer weiß was thun,
flehte ſie durch den Ritz, — ich nahm mich zuſammen,
beſichtigte das Thor, fand daß es mit zwei ſtarken ei¬
ſernen Riegeln zugebummſt war, nahm einen Stein
und klopfte die Riegel zurück. „Mach keinen Lärm,
poltere nicht ſo,“ — aber das half nicht, ich war im hei¬
ßen Eifer, das Thor mußte weichen, auf einmal gingen
beide Flügel aus einander, und da ſtand ſie vor mir
und hielt ihren Einzug; jetzt wanderten wir ſchweigend
durch die Straßen und muſterten die Häuſer, wir klopf¬
ten an den Thüren, an den Laden, kein Laut gab Ant¬
wort, endlich öffnet ſich ein Giebelfenſterchen, ein Männ¬
chen guckt heraus mit einem brennenden Kienſpahn in
die Luft leuchtend, bei deſſen Flamme wir ein bebarte¬
tes Kinn entdecken, und alſo auf ein ungetauftes Mit¬
glied der Menſchheit ſchließen, welches ſeine Stimme
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/172>, abgerufen am 26.11.2024.
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