ster und wilde Rosen und alles hat der Wind hinauf¬ getragen; man meint als, der fliegende Blumensamen müßt eine Seel haben und hätt sich nicht weiter wollen treiben lassen vom Wind, und wär am liebsten da ge¬ blieben, alles blüht und grünt, so viel Glockenblumen und Steinnelken und Balsam, ich dacht wie ists doch möglich, daß das alte Gemäuer so überblüht ist. -- Blum an Blum! Unten in der Ruine wohnt ein Bet¬ telmann mit der Frau und zwei Kindern, sie haben eine Ziege, die bringen sie hinauf, die grast den duftenden Teppich mir nichts dir nichts ab. -- Ich war eine ganze Stunde allein da und hab hinaus auf dem Rhein die Schiffe fahren sehen, da ist mirs doch recht sehnsüchtig geworden, daß ich wieder zu Dir will, und wenns noch so schön ist, es ist doch traurig ohne Widerhall in der lebendigen Brust, der Mensch ist doch nichts als Begeh¬ ren sich zu fühlen im Andern. Du lieber Gott! eh ich Dich gesehen hatt da wußt ich nichts, da hatt ich schon oft gelesen und gehört, Freund und Freundin, und nicht gedacht, daß das ein ganz neu Leben wär, was dacht ich doch vorher von Menschen? -- gar nichts! -- Der Hund im Hof, den holt ich mir immer um in Gesell¬ schaft zu sein; aber nachher wie ich eine Weile mit Dir gewesen war, und hatte so manches von Dir gehört,
ſter und wilde Roſen und alles hat der Wind hinauf¬ getragen; man meint als, der fliegende Blumenſamen müßt eine Seel haben und hätt ſich nicht weiter wollen treiben laſſen vom Wind, und wär am liebſten da ge¬ blieben, alles blüht und grünt, ſo viel Glockenblumen und Steinnelken und Balſam, ich dacht wie iſts doch möglich, daß das alte Gemäuer ſo überblüht iſt. — Blum an Blum! Unten in der Ruine wohnt ein Bet¬ telmann mit der Frau und zwei Kindern, ſie haben eine Ziege, die bringen ſie hinauf, die graſt den duftenden Teppich mir nichts dir nichts ab. — Ich war eine ganze Stunde allein da und hab hinaus auf dem Rhein die Schiffe fahren ſehen, da iſt mirs doch recht ſehnſüchtig geworden, daß ich wieder zu Dir will, und wenns noch ſo ſchön iſt, es iſt doch traurig ohne Widerhall in der lebendigen Bruſt, der Menſch iſt doch nichts als Begeh¬ ren ſich zu fühlen im Andern. Du lieber Gott! eh ich Dich geſehen hatt da wußt ich nichts, da hatt ich ſchon oft geleſen und gehört, Freund und Freundin, und nicht gedacht, daß das ein ganz neu Leben wär, was dacht ich doch vorher von Menſchen? — gar nichts! — Der Hund im Hof, den holt ich mir immer um in Geſell¬ ſchaft zu ſein; aber nachher wie ich eine Weile mit Dir geweſen war, und hatte ſo manches von Dir gehört,
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ſter und wilde Roſen und alles hat der Wind hinauf¬
getragen; man meint als, der fliegende Blumenſamen
müßt eine Seel haben und hätt ſich nicht weiter wollen
treiben laſſen vom Wind, und wär am liebſten da ge¬
blieben, alles blüht und grünt, ſo viel Glockenblumen
und Steinnelken und Balſam, ich dacht wie iſts doch
möglich, daß das alte Gemäuer ſo überblüht iſt. —
Blum an Blum! Unten in der Ruine wohnt ein Bet¬
telmann mit der Frau und zwei Kindern, ſie haben eine
Ziege, die bringen ſie hinauf, die graſt den duftenden
Teppich mir nichts dir nichts ab. — Ich war eine ganze
Stunde allein da und hab hinaus auf dem Rhein die
Schiffe fahren ſehen, da iſt mirs doch recht ſehnſüchtig
geworden, daß ich wieder zu Dir will, und wenns noch
ſo ſchön iſt, es iſt doch traurig ohne Widerhall in der
lebendigen Bruſt, der Menſch iſt doch nichts als Begeh¬
ren ſich zu fühlen im Andern. Du lieber Gott! eh ich
Dich geſehen hatt da wußt ich nichts, da hatt ich ſchon
oft geleſen und gehört, Freund und Freundin, und nicht
gedacht, daß das ein ganz neu Leben wär, was dacht
ich doch vorher von Menſchen? — gar nichts! — Der
Hund im Hof, den holt ich mir immer um in Geſell¬
ſchaft zu ſein; aber nachher wie ich eine Weile mit Dir
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/156>, abgerufen am 28.11.2024.
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