sein Haupt, die allen Anwesenden das Mitleid verbie¬ tet, die zugleich das seligste ruhmvollste Entzücken an¬ deutet mit dem menschlichen Kampfe im Elend? -- Warum liegt in jedem seiner Thaten, seiner Worte, das Irrdische mit dem Ewigen so eng verbunden? -- Er hat seine Leiden nicht mit Freuden vertauscht da er es wohl vermochte. -- Also Mensch hab dein Schicksal lieb, wenn es dir auch Schmerz bringt, denn nicht dein Schicksal ist traurig, wenn es dir auch noch so viel Menschenunglück zuführt, aber daß du es verschmä¬ hest, das ist eigentlich das große Unglück, und so schließ ich wovon ich ausging, daß allemal das Schicksal des Menschen, das höchste Kleinod sei, das nicht wegwer¬ fend zu behandlen ist, sondern es soll mit Ehrfurcht ge¬ pflegt und sich ihm unterworfen werden." -- Der Voigt bereuete sehr, daß er die Predigt nicht ganz gehört habe und meint, da er in wenig Worte so viel zusam¬ mendränge, so müsse er in der Entwickelung sehr geist¬ reich sein. Ich aber war froh, daß wir zu spät gekom¬ men waren, denn mir schien das Thema sehr traurig, Leiden im Voraus zu ahnen und sich darauf vorzube¬ reiten, das will mir nicht in Sinn. -- Am Abend wa¬ ren wir ganz einsam, die Tonie und ich, es ist gar nie¬ mand mehr hier, ich wär so gern noch hinaus spazie¬
ſein Haupt, die allen Anweſenden das Mitleid verbie¬ tet, die zugleich das ſeligſte ruhmvollſte Entzücken an¬ deutet mit dem menſchlichen Kampfe im Elend? — Warum liegt in jedem ſeiner Thaten, ſeiner Worte, das Irrdiſche mit dem Ewigen ſo eng verbunden? — Er hat ſeine Leiden nicht mit Freuden vertauſcht da er es wohl vermochte. — Alſo Menſch hab dein Schickſal lieb, wenn es dir auch Schmerz bringt, denn nicht dein Schickſal iſt traurig, wenn es dir auch noch ſo viel Menſchenunglück zuführt, aber daß du es verſchmä¬ heſt, das iſt eigentlich das große Unglück, und ſo ſchließ ich wovon ich ausging, daß allemal das Schickſal des Menſchen, das höchſte Kleinod ſei, das nicht wegwer¬ fend zu behandlen iſt, ſondern es ſoll mit Ehrfurcht ge¬ pflegt und ſich ihm unterworfen werden.“ — Der Voigt bereuete ſehr, daß er die Predigt nicht ganz gehört habe und meint, da er in wenig Worte ſo viel zuſam¬ mendränge, ſo müſſe er in der Entwickelung ſehr geiſt¬ reich ſein. Ich aber war froh, daß wir zu ſpät gekom¬ men waren, denn mir ſchien das Thema ſehr traurig, Leiden im Voraus zu ahnen und ſich darauf vorzube¬ reiten, das will mir nicht in Sinn. — Am Abend wa¬ ren wir ganz einſam, die Tonie und ich, es iſt gar nie¬ mand mehr hier, ich wär ſo gern noch hinaus ſpazie¬
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ſein Haupt, die allen Anweſenden das Mitleid verbie¬
tet, die zugleich das ſeligſte ruhmvollſte Entzücken an¬
deutet mit dem menſchlichen Kampfe im Elend? —
Warum liegt in jedem ſeiner Thaten, ſeiner Worte,
das Irrdiſche mit dem Ewigen ſo eng verbunden? —
Er hat ſeine Leiden nicht mit Freuden vertauſcht da er
es wohl vermochte. — Alſo Menſch hab dein Schickſal
lieb, wenn es dir auch Schmerz bringt, denn nicht dein
Schickſal iſt traurig, wenn es dir auch noch ſo viel
Menſchenunglück zuführt, aber daß du es verſchmä¬
heſt, das iſt eigentlich das große Unglück, und ſo ſchließ
ich wovon ich ausging, daß allemal das Schickſal des
Menſchen, das höchſte Kleinod ſei, das nicht wegwer¬
fend zu behandlen iſt, ſondern es ſoll mit Ehrfurcht ge¬
pflegt und ſich ihm unterworfen werden.“ — Der Voigt
bereuete ſehr, daß er die Predigt nicht ganz gehört
habe und meint, da er in wenig Worte ſo viel zuſam¬
mendränge, ſo müſſe er in der Entwickelung ſehr geiſt¬
reich ſein. Ich aber war froh, daß wir zu ſpät gekom¬
men waren, denn mir ſchien das Thema ſehr traurig,
Leiden im Voraus zu ahnen und ſich darauf vorzube¬
reiten, das will mir nicht in Sinn. — Am Abend wa¬
ren wir ganz einſam, die Tonie und ich, es iſt gar nie¬
mand mehr hier, ich wär ſo gern noch hinaus ſpazie¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/153>, abgerufen am 28.11.2024.
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