unter allen wär. Ein freies Gemüth ist doch wohl das höchste im Menschen. Nie eine Periode des Menschen¬ lebens verlassen so wie sie rein erschaffen ist, um in eine andre überzugehen, dabei nie eine derselben vermissen, ewig Kind sein, als Kind schon Mann, und Sclave des Guten sein, Gott anbeten in Ehrfurcht und mit ihm scherzen und spielen in seinen Werken, die selbst ein Spiel seiner Weisheit, seiner Liebe sind, sagte Voigt auf dem Heimweg zum Mstr. Haise und der war zu¬ frieden und reichte ihm die Hand. --
Gute Nacht.
Am Montag.
Gestern hätt ich nun rechte Zeit gehabt Dir zu schreiben, alles ist fort, aber ich war müde. Tonie liegt auf dem Bett und schläft, man war bis spät in der Nacht auf gewesen, ich ging noch auf die Terrasse um Abschied zu nehmen, weil am Morgen alles vor Tag abreiste; nur der Voigt blieb da bis Mittag, weil er nur bis Mainz ging. Er ging mit mir in die kleine Kapelle zur Messe, da war eben die Predigt wieder am Ende, es war unser Franziskaner. "Warum hat Je¬ sus, da er ans Kreuz geschlagen ist und die bittersten Schmerzen leidet, zugleich eine himmlische Glorie um
unter allen wär. Ein freies Gemüth iſt doch wohl das höchſte im Menſchen. Nie eine Periode des Menſchen¬ lebens verlaſſen ſo wie ſie rein erſchaffen iſt, um in eine andre überzugehen, dabei nie eine derſelben vermiſſen, ewig Kind ſein, als Kind ſchon Mann, und Sclave des Guten ſein, Gott anbeten in Ehrfurcht und mit ihm ſcherzen und ſpielen in ſeinen Werken, die ſelbſt ein Spiel ſeiner Weisheit, ſeiner Liebe ſind, ſagte Voigt auf dem Heimweg zum Mſtr. Haiſe und der war zu¬ frieden und reichte ihm die Hand. —
Gute Nacht.
Am Montag.
Geſtern hätt ich nun rechte Zeit gehabt Dir zu ſchreiben, alles iſt fort, aber ich war müde. Tonie liegt auf dem Bett und ſchläft, man war bis ſpät in der Nacht auf geweſen, ich ging noch auf die Terraſſe um Abſchied zu nehmen, weil am Morgen alles vor Tag abreiſte; nur der Voigt blieb da bis Mittag, weil er nur bis Mainz ging. Er ging mit mir in die kleine Kapelle zur Meſſe, da war eben die Predigt wieder am Ende, es war unſer Franziskaner. „Warum hat Je¬ ſus, da er ans Kreuz geſchlagen iſt und die bitterſten Schmerzen leidet, zugleich eine himmliſche Glorie um
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unter allen wär. Ein freies Gemüth iſt doch wohl das
höchſte im Menſchen. Nie eine Periode des Menſchen¬
lebens verlaſſen ſo wie ſie rein erſchaffen iſt, um in eine
andre überzugehen, dabei nie eine derſelben vermiſſen,
ewig Kind ſein, als Kind ſchon Mann, und Sclave
des Guten ſein, Gott anbeten in Ehrfurcht und mit
ihm ſcherzen und ſpielen in ſeinen Werken, die ſelbſt
ein Spiel ſeiner Weisheit, ſeiner Liebe ſind, ſagte Voigt
auf dem Heimweg zum Mſtr. Haiſe und der war zu¬
frieden und reichte ihm die Hand. —
Gute Nacht.
Am Montag.
Geſtern hätt ich nun rechte Zeit gehabt Dir zu
ſchreiben, alles iſt fort, aber ich war müde. Tonie liegt
auf dem Bett und ſchläft, man war bis ſpät in der
Nacht auf geweſen, ich ging noch auf die Terraſſe um
Abſchied zu nehmen, weil am Morgen alles vor Tag
abreiſte; nur der Voigt blieb da bis Mittag, weil er
nur bis Mainz ging. Er ging mit mir in die kleine
Kapelle zur Meſſe, da war eben die Predigt wieder am
Ende, es war unſer Franziskaner. „Warum hat Je¬
ſus, da er ans Kreuz geſchlagen iſt und die bitterſten
Schmerzen leidet, zugleich eine himmliſche Glorie um
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/152>, abgerufen am 28.11.2024.
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