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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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dich ungewiß zu machen, mir klein erschien und
nichtig. Muth begeisterte mein ganzes Wesen: ich will
nichts, nichts als sie besitzen, so dacht ich, und kühn
warf ich dieser Erde Güter alle, weg von mir, und
führte mein Fahrzeug hin zu dem gefahrvollen Fels,
wo alles Irdische scheitern sollte. Noch einmal dacht
ich: wenn du alles verlörst um nichts zu finden? --
aber hohe Zuversicht verdrängte den Zweifel, fröhlich
sagt' ich der Oberwelt das letzte Lebewohl, die Nacht
verschlang mich, -- eine gräßliche Pause! -- ich fand
mich bei dir. -- Die Fackel meines Lebens flammt noch
jenseit der stygischen Wasser.

Immortalita. Die Heroen der Vorwelt ha¬
ben diesen Pfad schon betreten, der Muth hat her¬
über zu streifen gewagt, aber der Liebe nur war vor¬
behalten, ein dauernd Reich hier zu gründen. Die Be¬
wohner des Orkus sagen, mein Dasein hauche ihnen
unsterbliches Leben ein; so sei denn auch du unsterb¬
lich; denn du hast Unnennbares in mir bewirkt,
ich lebte ein Mumienleben, aber du hast mir eine Seele
eingehaucht. Ja, theurer Jüngling! in deiner Liebe er¬
blicke ich mich verklärt; ich weiß nun wer ich bin,
weiß, daß ein sonniger Tag diese alten Hallen beglän¬
zen wird.

dich ungewiß zu machen, mir klein erſchien und
nichtig. Muth begeiſterte mein ganzes Weſen: ich will
nichts, nichts als ſie beſitzen, ſo dacht ich, und kühn
warf ich dieſer Erde Güter alle, weg von mir, und
führte mein Fahrzeug hin zu dem gefahrvollen Fels,
wo alles Irdiſche ſcheitern ſollte. Noch einmal dacht
ich: wenn du alles verlörſt um nichts zu finden? —
aber hohe Zuverſicht verdrängte den Zweifel, fröhlich
ſagt' ich der Oberwelt das letzte Lebewohl, die Nacht
verſchlang mich, — eine gräßliche Pauſe! — ich fand
mich bei dir. — Die Fackel meines Lebens flammt noch
jenſeit der ſtygiſchen Waſſer.

Immortalita. Die Heroen der Vorwelt ha¬
ben dieſen Pfad ſchon betreten, der Muth hat her¬
über zu ſtreifen gewagt, aber der Liebe nur war vor¬
behalten, ein dauernd Reich hier zu gründen. Die Be¬
wohner des Orkus ſagen, mein Daſein hauche ihnen
unſterbliches Leben ein; ſo ſei denn auch du unſterb¬
lich; denn du haſt Unnennbares in mir bewirkt,
ich lebte ein Mumienleben, aber du haſt mir eine Seele
eingehaucht. Ja, theurer Jüngling! in deiner Liebe er¬
blicke ich mich verklärt; ich weiß nun wer ich bin,
weiß, daß ein ſonniger Tag dieſe alten Hallen beglän¬
zen wird.

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[102/0118] dich ungewiß zu machen, mir klein erſchien und nichtig. Muth begeiſterte mein ganzes Weſen: ich will nichts, nichts als ſie beſitzen, ſo dacht ich, und kühn warf ich dieſer Erde Güter alle, weg von mir, und führte mein Fahrzeug hin zu dem gefahrvollen Fels, wo alles Irdiſche ſcheitern ſollte. Noch einmal dacht ich: wenn du alles verlörſt um nichts zu finden? — aber hohe Zuverſicht verdrängte den Zweifel, fröhlich ſagt' ich der Oberwelt das letzte Lebewohl, die Nacht verſchlang mich, — eine gräßliche Pauſe! — ich fand mich bei dir. — Die Fackel meines Lebens flammt noch jenſeit der ſtygiſchen Waſſer. Immortalita. Die Heroen der Vorwelt ha¬ ben dieſen Pfad ſchon betreten, der Muth hat her¬ über zu ſtreifen gewagt, aber der Liebe nur war vor¬ behalten, ein dauernd Reich hier zu gründen. Die Be¬ wohner des Orkus ſagen, mein Daſein hauche ihnen unſterbliches Leben ein; ſo ſei denn auch du unſterb¬ lich; denn du haſt Unnennbares in mir bewirkt, ich lebte ein Mumienleben, aber du haſt mir eine Seele eingehaucht. Ja, theurer Jüngling! in deiner Liebe er¬ blicke ich mich verklärt; ich weiß nun wer ich bin, weiß, daß ein ſonniger Tag dieſe alten Hallen beglän¬ zen wird.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/118>, abgerufen am 28.11.2024.