schweigend vor Dir, und der Duft der Blumen wird für mich sprechen bei Dir.
Ich bin freudig wie der Delphin, der auf weitru- hendem Meeresplan ferne Flöten vernimmt; er jagt muthwillig die Wasser in die glänzende Stille der Luft- höhen, daß sie auf der glatten Spiegelfläche einen Perlenrausch verbreiten; jede Perle spiegelt das Univer- sum und zerfließt, so jeder Gedanke spiegelt die ewige Weisheit und zerfließt.
Deine Hand lehnte an meiner Wange, und Deine Lippe ruhte auf meiner Stirn, und es war so still, daß Dein Athem verhauchte, wie Geisterathem. Sonst eilt die Zeit den Glücklichen, aber diesmal jagte die Zeit nicht; eine Ewigkeit, die nie endet ist diese Zeit, die so kurz war, so in sich, daß ihr kein Maaß kann ange- legt werden.
An milden Frühli[n]gstagen, wo dünnes Gewölk der jungen Saat den fruchtbringenden Regen spendet, da ist es so wie jetzt in meiner Brust; mir ahndet, wie dem kaum gewurzelten Keim seine künftige Blüthe ahn- det, daß Liebe ewige, einzige Zukunft sei.
ſchweigend vor Dir, und der Duft der Blumen wird für mich ſprechen bei Dir.
Ich bin freudig wie der Delphin, der auf weitru- hendem Meeresplan ferne Flöten vernimmt; er jagt muthwillig die Waſſer in die glänzende Stille der Luft- höhen, daß ſie auf der glatten Spiegelfläche einen Perlenrauſch verbreiten; jede Perle ſpiegelt das Univer- ſum und zerfließt, ſo jeder Gedanke ſpiegelt die ewige Weisheit und zerfließt.
Deine Hand lehnte an meiner Wange, und Deine Lippe ruhte auf meiner Stirn, und es war ſo ſtill, daß Dein Athem verhauchte, wie Geiſterathem. Sonſt eilt die Zeit den Glücklichen, aber diesmal jagte die Zeit nicht; eine Ewigkeit, die nie endet iſt dieſe Zeit, die ſo kurz war, ſo in ſich, daß ihr kein Maaß kann ange- legt werden.
An milden Frühli[n]gstagen, wo dünnes Gewölk der jungen Saat den fruchtbringenden Regen ſpendet, da iſt es ſo wie jetzt in meiner Bruſt; mir ahndet, wie dem kaum gewurzelten Keim ſeine künftige Blüthe ahn- det, daß Liebe ewige, einzige Zukunft ſei.
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ſchweigend vor Dir, und der Duft der Blumen wird
für mich ſprechen bei Dir.
Ich bin freudig wie der Delphin, der auf weitru-
hendem Meeresplan ferne Flöten vernimmt; er jagt
muthwillig die Waſſer in die glänzende Stille der Luft-
höhen, daß ſie auf der glatten Spiegelfläche einen
Perlenrauſch verbreiten; jede Perle ſpiegelt das Univer-
ſum und zerfließt, ſo jeder Gedanke ſpiegelt die ewige
Weisheit und zerfließt.
Deine Hand lehnte an meiner Wange, und Deine
Lippe ruhte auf meiner Stirn, und es war ſo ſtill, daß
Dein Athem verhauchte, wie Geiſterathem. Sonſt eilt
die Zeit den Glücklichen, aber diesmal jagte die Zeit
nicht; eine Ewigkeit, die nie endet iſt dieſe Zeit, die ſo
kurz war, ſo in ſich, daß ihr kein Maaß kann ange-
legt werden.
An milden Frühlingstagen, wo dünnes Gewölk der
jungen Saat den fruchtbringenden Regen ſpendet, da
iſt es ſo wie jetzt in meiner Bruſt; mir ahndet, wie
dem kaum gewurzelten Keim ſeine künftige Blüthe ahn-
det, daß Liebe ewige, einzige Zukunft ſei.
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/99>, abgerufen am 16.02.2025.
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