[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.zwischen zwei Liebenden, die ihre Inbrunst so deutlich Am andern Tag kam sie wieder, die Nachtigall, zwiſchen zwei Liebenden, die ihre Inbrunſt ſo deutlich Am andern Tag kam ſie wieder, die Nachtigall, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0093" n="83"/> zwiſchen zwei Liebenden, die ihre Inbrunſt ſo deutlich<lb/> im Lied der Nachtigall geſteigert empfinden, daß ſie<lb/> glauben müſſen, <hi rendition="#g">ihre</hi> Melodieen ſeien der wahre Aus-<lb/> druck ihrer Empfindungen. —</p><lb/> <p>Am andern Tag kam ſie wieder, die Nachtigall,<lb/> ich auch, mir ahndete ſie würde kommen, ich hatte die<lb/> Guitarre mitgenommen, ich wollte ihr was vorſpielen,<lb/> an der Pappelwand war's, der wilden Roſen-Hecke ge-<lb/> genüber, die ihre langen ſchwankenden Zweige über die<lb/> Mauer des Nachbargartens hereinſtreckte und mit ihren<lb/> Blüthen beinah bis wieder an den Boden reichte; da<lb/> ſaß ſie und ſtreckte ihr Hälschen, ſah mir zu, wie ich<lb/> mit dem Sand ſpielte. Nachtigallen ſind neugierig,<lb/> ſagen die Leute, bei uns iſt's ein Sprüchwort: du biſt<lb/> ſo neugierig wie eine Nachtigall; aber warum iſt ſie<lb/> denn neugierig auf den Menſchen, der ſcheinbar gar<lb/> keine Beziehung auf ſie hat? — was wird einſtens aus<lb/> dieſer Neugierde ſich erzeugen? — O! nichts umſonſt,<lb/> alles braucht die Natur zu ihrem raſtloſen Wirken, es<lb/> will und muß weiter gehen in ihren Erlöſungen. Ich<lb/> ſtieg auf eine hohe Pappel, deren Äſte von unten auf<lb/> zu einer bequemen Treppe rund um den Stamm gebil-<lb/> det waren; da oben in dem ſchlanken Wipfel band ich<lb/> mich feſt an die Zweige mit der Schnur, an der ich die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0093]
zwiſchen zwei Liebenden, die ihre Inbrunſt ſo deutlich
im Lied der Nachtigall geſteigert empfinden, daß ſie
glauben müſſen, ihre Melodieen ſeien der wahre Aus-
druck ihrer Empfindungen. —
Am andern Tag kam ſie wieder, die Nachtigall,
ich auch, mir ahndete ſie würde kommen, ich hatte die
Guitarre mitgenommen, ich wollte ihr was vorſpielen,
an der Pappelwand war's, der wilden Roſen-Hecke ge-
genüber, die ihre langen ſchwankenden Zweige über die
Mauer des Nachbargartens hereinſtreckte und mit ihren
Blüthen beinah bis wieder an den Boden reichte; da
ſaß ſie und ſtreckte ihr Hälschen, ſah mir zu, wie ich
mit dem Sand ſpielte. Nachtigallen ſind neugierig,
ſagen die Leute, bei uns iſt's ein Sprüchwort: du biſt
ſo neugierig wie eine Nachtigall; aber warum iſt ſie
denn neugierig auf den Menſchen, der ſcheinbar gar
keine Beziehung auf ſie hat? — was wird einſtens aus
dieſer Neugierde ſich erzeugen? — O! nichts umſonſt,
alles braucht die Natur zu ihrem raſtloſen Wirken, es
will und muß weiter gehen in ihren Erlöſungen. Ich
ſtieg auf eine hohe Pappel, deren Äſte von unten auf
zu einer bequemen Treppe rund um den Stamm gebil-
det waren; da oben in dem ſchlanken Wipfel band ich
mich feſt an die Zweige mit der Schnur, an der ich die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |