Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Sieh! so lieb ich die Natur, weil ich Dich liebe, so
ruh ich gern in ihr aus und versenk mich in sie, weil
ich gern in Dein Andenken mich versenke.

Ach da Du nirgends bist, und doch da bist, weil
ich Dich mehr empfinde als alles andere; so bist Du
gewiß in diesem tausendfachen Echo meines Gefühls.


Ich weiß einen! wie mit Kindeslächeln hat er sich
mit der Weisheit, mit der Wissenschaft befreundet. Das
Leben der Natur ist ihm Tempel und Religion; alles
in ihr ist ihm Geisterblick, Weissagung, ein jeder Ge-
genstand in ihr ward ihm zum eigenthümlichen Du,
in seinen Liedern klingt die göttliche Lust sich in allem
zu empfinden, alle Geheimnisse in sich aufzunehmen, sich
in ihnen verständlich zu werden.


Wenn der Saame in die Erde kommt, wird er le-
bendig, und dies Leben strebt in ein neues Reich in die
Luft. Wenn der Saame nicht schon Leben in sich hatte,
konnte es nicht in ihm geweckt werden, es ist Leben was

2**

Sieh! ſo lieb ich die Natur, weil ich Dich liebe, ſo
ruh ich gern in ihr aus und verſenk mich in ſie, weil
ich gern in Dein Andenken mich verſenke.

Ach da Du nirgends biſt, und doch da biſt, weil
ich Dich mehr empfinde als alles andere; ſo biſt Du
gewiß in dieſem tauſendfachen Echo meines Gefühls.


Ich weiß einen! wie mit Kindeslächeln hat er ſich
mit der Weisheit, mit der Wiſſenſchaft befreundet. Das
Leben der Natur iſt ihm Tempel und Religion; alles
in ihr iſt ihm Geiſterblick, Weiſſagung, ein jeder Ge-
genſtand in ihr ward ihm zum eigenthümlichen Du,
in ſeinen Liedern klingt die göttliche Luſt ſich in allem
zu empfinden, alle Geheimniſſe in ſich aufzunehmen, ſich
in ihnen verſtändlich zu werden.


Wenn der Saame in die Erde kommt, wird er le-
bendig, und dies Leben ſtrebt in ein neues Reich in die
Luft. Wenn der Saame nicht ſchon Leben in ſich hatte,
konnte es nicht in ihm geweckt werden, es iſt Leben was

2**
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0043" n="33"/>
          <p>Sieh! &#x017F;o lieb ich die Natur, weil ich Dich liebe, &#x017F;o<lb/>
ruh ich gern in ihr aus und ver&#x017F;enk mich in &#x017F;ie, weil<lb/>
ich gern in Dein Andenken mich ver&#x017F;enke.</p><lb/>
          <p>Ach da Du nirgends bi&#x017F;t, und doch da bi&#x017F;t, weil<lb/>
ich Dich mehr empfinde als alles andere; &#x017F;o bi&#x017F;t Du<lb/>
gewiß in die&#x017F;em tau&#x017F;endfachen Echo meines Gefühls.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Ich weiß einen! wie mit Kindeslächeln hat er &#x017F;ich<lb/>
mit der Weisheit, mit der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft befreundet. Das<lb/>
Leben der Natur i&#x017F;t ihm Tempel und Religion; alles<lb/>
in ihr i&#x017F;t ihm Gei&#x017F;terblick, Wei&#x017F;&#x017F;agung, ein jeder Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand in ihr ward ihm zum eigenthümlichen <hi rendition="#g">Du</hi>,<lb/>
in &#x017F;einen Liedern klingt die göttliche Lu&#x017F;t &#x017F;ich in allem<lb/>
zu empfinden, alle Geheimni&#x017F;&#x017F;e in &#x017F;ich aufzunehmen, &#x017F;ich<lb/>
in ihnen ver&#x017F;tändlich zu werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Wenn der Saame in die Erde kommt, wird er le-<lb/>
bendig, und dies Leben &#x017F;trebt in ein neues Reich in die<lb/>
Luft. Wenn der Saame nicht &#x017F;chon Leben in &#x017F;ich hatte,<lb/>
konnte es nicht in ihm geweckt werden, es i&#x017F;t <hi rendition="#g">Leben</hi> was<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2**</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0043] Sieh! ſo lieb ich die Natur, weil ich Dich liebe, ſo ruh ich gern in ihr aus und verſenk mich in ſie, weil ich gern in Dein Andenken mich verſenke. Ach da Du nirgends biſt, und doch da biſt, weil ich Dich mehr empfinde als alles andere; ſo biſt Du gewiß in dieſem tauſendfachen Echo meines Gefühls. Ich weiß einen! wie mit Kindeslächeln hat er ſich mit der Weisheit, mit der Wiſſenſchaft befreundet. Das Leben der Natur iſt ihm Tempel und Religion; alles in ihr iſt ihm Geiſterblick, Weiſſagung, ein jeder Ge- genſtand in ihr ward ihm zum eigenthümlichen Du, in ſeinen Liedern klingt die göttliche Luſt ſich in allem zu empfinden, alle Geheimniſſe in ſich aufzunehmen, ſich in ihnen verſtändlich zu werden. Wenn der Saame in die Erde kommt, wird er le- bendig, und dies Leben ſtrebt in ein neues Reich in die Luft. Wenn der Saame nicht ſchon Leben in ſich hatte, konnte es nicht in ihm geweckt werden, es iſt Leben was 2**

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/43
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/43>, abgerufen am 23.11.2024.