[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.übersponnen mit Fäden, an denen die Thauperlen auf- Manchmal hält die Natur Dir die Wage, und ich Ach, die zahmen Menschen, ich verstehe ihren Geist Dir geh' ich nach auf einsamen Wegen, wenn's überſponnen mit Fäden, an denen die Thauperlen auf- Manchmal hält die Natur Dir die Wage, und ich Ach, die zahmen Menſchen, ich verſtehe ihren Geiſt Dir geh' ich nach auf einſamen Wegen, wenn's <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="31"/> überſponnen mit Fäden, an denen die Thauperlen auf-<lb/> gereiht waren.</p><lb/> <p>Manchmal hält die Natur Dir die Wage, und ich<lb/> empfinde die Wahrheit der Worte: „<hi rendition="#g">Weg du Traum,<lb/> ſo gold' du biſt, hier auch Lieb' und Leben iſt</hi>.“<lb/> So ein Gang, wenn ich wieder unter die Menſchen<lb/> komme, macht mich einſam.</p><lb/> <p>Ach, die zahmen Menſchen, ich verſtehe ihren Geiſt<lb/> nicht. Geiſt lenkt, er deutet, er fliegt voran auf immer<lb/> neuen Wegen oder er kommt entgegen wie die Leiden-<lb/> ſchaft und ſenkt ſich in die Bruſt und regt ſich da.<lb/> Geiſt iſt flüchtig wie Äther, drum ſucht ihn die Liebe,<lb/> und wenn ſie ihn erfaßt dann geht ſie in ihm auf.<lb/> Das iſt meine Liſt daß die Liebe dem Geiſt nachgeht.</p><lb/> <p>Dir geh' ich nach auf einſamen Wegen, wenn's<lb/> ſtill und ruhig iſt dann liſpelt jedes Blatt von Dir,<lb/> das vom Wind gehoben wird, da laſſe ich meine Ge-<lb/> danken ſtill ſtehen, und lauſche, da breiten ſich die Sinne<lb/> aus wie ein Netz um Dich zu fangen, es iſt nicht der große<lb/> Dichter, nicht Dein weltgeprieſener Ruhm! in Deinen<lb/> Augen liegt's, in dem nachläſſigen und feierlichen Be-<lb/> wegen Deiner Glieder, in den Schwingungen Deiner<lb/> Stimme, in dieſem Schweigen und Harren, bis die<lb/> Sprache aus der Tiefe Deines Herzens ſich zum Wort<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0041]
überſponnen mit Fäden, an denen die Thauperlen auf-
gereiht waren.
Manchmal hält die Natur Dir die Wage, und ich
empfinde die Wahrheit der Worte: „Weg du Traum,
ſo gold' du biſt, hier auch Lieb' und Leben iſt.“
So ein Gang, wenn ich wieder unter die Menſchen
komme, macht mich einſam.
Ach, die zahmen Menſchen, ich verſtehe ihren Geiſt
nicht. Geiſt lenkt, er deutet, er fliegt voran auf immer
neuen Wegen oder er kommt entgegen wie die Leiden-
ſchaft und ſenkt ſich in die Bruſt und regt ſich da.
Geiſt iſt flüchtig wie Äther, drum ſucht ihn die Liebe,
und wenn ſie ihn erfaßt dann geht ſie in ihm auf.
Das iſt meine Liſt daß die Liebe dem Geiſt nachgeht.
Dir geh' ich nach auf einſamen Wegen, wenn's
ſtill und ruhig iſt dann liſpelt jedes Blatt von Dir,
das vom Wind gehoben wird, da laſſe ich meine Ge-
danken ſtill ſtehen, und lauſche, da breiten ſich die Sinne
aus wie ein Netz um Dich zu fangen, es iſt nicht der große
Dichter, nicht Dein weltgeprieſener Ruhm! in Deinen
Augen liegt's, in dem nachläſſigen und feierlichen Be-
wegen Deiner Glieder, in den Schwingungen Deiner
Stimme, in dieſem Schweigen und Harren, bis die
Sprache aus der Tiefe Deines Herzens ſich zum Wort
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