Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

"Hält man das Liebchen im Arm: läßt man
die Wetter überm Haupt sich ergehen
!" das
waren Deine letzten Worte da oben, wir gingen hinab,
Hand in Hand. -- Die Nacht brach ein, in der Stadt
zündete die Obstfrau eben ihr Licht an, um ihre Äpfel
zu beleuchten, Du bliebst stehen und sahst mich lange
an. -- "So benützt Amor die Leuchte der Alten, und
man betrachtet bei einer Laterne seine Äpfel und
sein Liebchen." -- Dann führtest Du mich schweigend
bis zu meiner Wohnung, küßtest mich auf die Stirn
und schobst mich zur Hausthür hinein. Süßer Friede
war die Wiege meiner träumenden Lust bis zum an-
dern Morgen.


An den Freund.

Nach zehn Jahren ward dies schöne Ereigniß, was so
deutlich in meinem Gedächtniß eingeprägt blieb Veran-
lassung zur Erfindung von Goethe's Monument. Moritz
Bethmann aus Frankfurt am Main hatte es bestellt, er
wünschte der unwidersprechliche Charakter des Dichters
möge drinn ausgedrückt werden. Er traute mir das Ta-
lent zu, daß ich die Idee dazu finden würde, obschon ich
damals noch nichts mit der Kunst zu schaffen gehabt hatte.

Hält man das Liebchen im Arm: läßt man
die Wetter überm Haupt ſich ergehen
!“ das
waren Deine letzten Worte da oben, wir gingen hinab,
Hand in Hand. — Die Nacht brach ein, in der Stadt
zündete die Obſtfrau eben ihr Licht an, um ihre Äpfel
zu beleuchten, Du bliebſt ſtehen und ſahſt mich lange
an. — „So benützt Amor die Leuchte der Alten, und
man betrachtet bei einer Laterne ſeine Äpfel und
ſein Liebchen.“ — Dann führteſt Du mich ſchweigend
bis zu meiner Wohnung, küßteſt mich auf die Stirn
und ſchobſt mich zur Hausthür hinein. Süßer Friede
war die Wiege meiner träumenden Luſt bis zum an-
dern Morgen.


An den Freund.

Nach zehn Jahren ward dies ſchöne Ereigniß, was ſo
deutlich in meinem Gedächtniß eingeprägt blieb Veran-
laſſung zur Erfindung von Goethe's Monument. Moritz
Bethmann aus Frankfurt am Main hatte es beſtellt, er
wünſchte der unwiderſprechliche Charakter des Dichters
möge drinn ausgedrückt werden. Er traute mir das Ta-
lent zu, daß ich die Idee dazu finden würde, obſchon ich
damals noch nichts mit der Kunſt zu ſchaffen gehabt hatte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0246" n="236"/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Hält man das Liebchen im Arm: läßt man<lb/>
die Wetter überm Haupt &#x017F;ich ergehen</hi>!&#x201C; das<lb/>
waren Deine letzten Worte da oben, wir gingen hinab,<lb/>
Hand in Hand. &#x2014; Die Nacht brach ein, in der Stadt<lb/>
zündete die Ob&#x017F;tfrau eben ihr Licht an, um ihre Äpfel<lb/>
zu beleuchten, Du blieb&#x017F;t &#x017F;tehen und &#x017F;ah&#x017F;t mich lange<lb/>
an. &#x2014; &#x201E;So benützt <hi rendition="#g">Amor</hi> die Leuchte der Alten, und<lb/>
man betrachtet bei <hi rendition="#g">einer</hi> Laterne &#x017F;eine Äpfel und<lb/>
&#x017F;ein Liebchen.&#x201C; &#x2014; Dann führte&#x017F;t Du mich &#x017F;chweigend<lb/>
bis zu meiner Wohnung, küßte&#x017F;t mich auf die Stirn<lb/>
und &#x017F;chob&#x017F;t mich zur Hausthür hinein. Süßer Friede<lb/>
war die Wiege meiner träumenden Lu&#x017F;t bis zum an-<lb/>
dern Morgen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An den Freund.</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Nach zehn Jahren ward dies &#x017F;chöne Ereigniß, was &#x017F;o<lb/>
deutlich in meinem Gedächtniß eingeprägt blieb Veran-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung zur Erfindung von Goethe's Monument. Moritz<lb/>
Bethmann aus Frankfurt am Main hatte es be&#x017F;tellt, er<lb/>
wün&#x017F;chte der unwider&#x017F;prechliche Charakter des Dichters<lb/>
möge drinn ausgedrückt werden. Er traute mir das Ta-<lb/>
lent zu, daß ich die Idee dazu finden würde, ob&#x017F;chon ich<lb/>
damals noch nichts mit der Kun&#x017F;t zu &#x017F;chaffen gehabt hatte.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0246] „Hält man das Liebchen im Arm: läßt man die Wetter überm Haupt ſich ergehen!“ das waren Deine letzten Worte da oben, wir gingen hinab, Hand in Hand. — Die Nacht brach ein, in der Stadt zündete die Obſtfrau eben ihr Licht an, um ihre Äpfel zu beleuchten, Du bliebſt ſtehen und ſahſt mich lange an. — „So benützt Amor die Leuchte der Alten, und man betrachtet bei einer Laterne ſeine Äpfel und ſein Liebchen.“ — Dann führteſt Du mich ſchweigend bis zu meiner Wohnung, küßteſt mich auf die Stirn und ſchobſt mich zur Hausthür hinein. Süßer Friede war die Wiege meiner träumenden Luſt bis zum an- dern Morgen. An den Freund. Nach zehn Jahren ward dies ſchöne Ereigniß, was ſo deutlich in meinem Gedächtniß eingeprägt blieb Veran- laſſung zur Erfindung von Goethe's Monument. Moritz Bethmann aus Frankfurt am Main hatte es beſtellt, er wünſchte der unwiderſprechliche Charakter des Dichters möge drinn ausgedrückt werden. Er traute mir das Ta- lent zu, daß ich die Idee dazu finden würde, obſchon ich damals noch nichts mit der Kunſt zu ſchaffen gehabt hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/246
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/246>, abgerufen am 05.12.2024.