Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

kam ich zu Dir, Du nahmst mich vor Dich an die Brust,
und schlugst die Arme um mich in Deinen Mantel mich
einhüllend. Da standen wir im leisen Regen, der sich
durch das dickbelaubte Gezweig stahl, daß hie und da
die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die
Wetter von Osten und Westen, wenig wurde geredet.
Wir waren einsylbig. -- "Es wird sich verziehen jen-
seits," so sagtest Du, "wenn es nur nicht da unten so
schwarz herauf käme." -- Und die Schaaren der Wol-
ken ritten am Horizont herauf, -- es ward dunkel, --
der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine
linke Hand deutete auf die Ferne, während die rechte
das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un-
terwegs gesammelt hatte. -- "Sieh, dort giebt's Krieg!
-- diese werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und
Erfahrungen im Wetter nicht trügen, so haben wir ihrer
Streitsucht den Frieden zu danken." -- Kaum hattest
Du diese Worte ausgesagt so blitzte es und brach wie
von allen Seiten der Donner los; -- ich sah über mich
und streckte die Arme nach Dir, Du beugtest Dich über
mein Gesicht und legtest Deinen Mund auf meinen,
und die Donner krachten, prallten aneinander, stürzten
von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und leise rollend
flüchteten sie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. --

kam ich zu Dir, Du nahmſt mich vor Dich an die Bruſt,
und ſchlugſt die Arme um mich in Deinen Mantel mich
einhüllend. Da ſtanden wir im leiſen Regen, der ſich
durch das dickbelaubte Gezweig ſtahl, daß hie und da
die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die
Wetter von Oſten und Weſten, wenig wurde geredet.
Wir waren einſylbig. — „Es wird ſich verziehen jen-
ſeits,“ ſo ſagteſt Du, „wenn es nur nicht da unten ſo
ſchwarz herauf käme.“ — Und die Schaaren der Wol-
ken ritten am Horizont herauf, — es ward dunkel, —
der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine
linke Hand deutete auf die Ferne, während die rechte
das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un-
terwegs geſammelt hatte. — „Sieh, dort giebt's Krieg!
— dieſe werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und
Erfahrungen im Wetter nicht trügen, ſo haben wir ihrer
Streitſucht den Frieden zu danken.“ — Kaum hatteſt
Du dieſe Worte ausgeſagt ſo blitzte es und brach wie
von allen Seiten der Donner los; — ich ſah über mich
und ſtreckte die Arme nach Dir, Du beugteſt Dich über
mein Geſicht und legteſt Deinen Mund auf meinen,
und die Donner krachten, prallten aneinander, ſtürzten
von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und leiſe rollend
flüchteten ſie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0245" n="235"/>
kam ich zu Dir, Du nahm&#x017F;t mich vor Dich an die Bru&#x017F;t,<lb/>
und &#x017F;chlug&#x017F;t die Arme um mich in Deinen Mantel mich<lb/>
einhüllend. Da &#x017F;tanden wir im lei&#x017F;en Regen, der &#x017F;ich<lb/>
durch das dickbelaubte Gezweig &#x017F;tahl, daß hie und da<lb/>
die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die<lb/>
Wetter von O&#x017F;ten und We&#x017F;ten, wenig wurde geredet.<lb/>
Wir waren ein&#x017F;ylbig. &#x2014; &#x201E;Es wird &#x017F;ich verziehen jen-<lb/>
&#x017F;eits,&#x201C; &#x017F;o &#x017F;agte&#x017F;t Du, &#x201E;wenn es nur nicht da unten &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwarz herauf käme.&#x201C; &#x2014; Und die Schaaren der Wol-<lb/>
ken ritten am Horizont herauf, &#x2014; es ward dunkel, &#x2014;<lb/>
der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine<lb/><hi rendition="#g">linke</hi> Hand deutete auf die Ferne, während die <hi rendition="#g">rechte</hi><lb/>
das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un-<lb/>
terwegs ge&#x017F;ammelt hatte. &#x2014; &#x201E;Sieh, dort giebt's Krieg!<lb/>
&#x2014; die&#x017F;e werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und<lb/>
Erfahrungen im Wetter nicht trügen, &#x017F;o haben wir ihrer<lb/>
Streit&#x017F;ucht den Frieden zu danken.&#x201C; &#x2014; Kaum hatte&#x017F;t<lb/>
Du die&#x017F;e Worte ausge&#x017F;agt &#x017F;o blitzte es und brach wie<lb/>
von allen Seiten der Donner los; &#x2014; ich &#x017F;ah über mich<lb/>
und &#x017F;treckte die Arme nach Dir, Du beugte&#x017F;t Dich über<lb/>
mein Ge&#x017F;icht und legte&#x017F;t Deinen Mund auf meinen,<lb/>
und die Donner krachten, prallten aneinander, &#x017F;türzten<lb/>
von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und lei&#x017F;e rollend<lb/>
flüchteten &#x017F;ie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0245] kam ich zu Dir, Du nahmſt mich vor Dich an die Bruſt, und ſchlugſt die Arme um mich in Deinen Mantel mich einhüllend. Da ſtanden wir im leiſen Regen, der ſich durch das dickbelaubte Gezweig ſtahl, daß hie und da die warmen Tropfen auf uns fielen. Da kamen die Wetter von Oſten und Weſten, wenig wurde geredet. Wir waren einſylbig. — „Es wird ſich verziehen jen- ſeits,“ ſo ſagteſt Du, „wenn es nur nicht da unten ſo ſchwarz herauf käme.“ — Und die Schaaren der Wol- ken ritten am Horizont herauf, — es ward dunkel, — der Wind hob kleine Staubwirbel um uns her, Deine linke Hand deutete auf die Ferne, während die rechte das Gekräut und die bunten Pflanzen hielt, die ich un- terwegs geſammelt hatte. — „Sieh, dort giebt's Krieg! — dieſe werden jene verjagen; wenn meine Ahndung und Erfahrungen im Wetter nicht trügen, ſo haben wir ihrer Streitſucht den Frieden zu danken.“ — Kaum hatteſt Du dieſe Worte ausgeſagt ſo blitzte es und brach wie von allen Seiten der Donner los; — ich ſah über mich und ſtreckte die Arme nach Dir, Du beugteſt Dich über mein Geſicht und legteſt Deinen Mund auf meinen, und die Donner krachten, prallten aneinander, ſtürzten von Stufe zu Stufe den Olympos herab, und leiſe rollend flüchteten ſie in die Ferne, kein zweiter Schlag folgte. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/245
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/245>, abgerufen am 05.12.2024.