Da ich Dich aber haben möchte, so denke ich an Dich, weil Denken Dich verstehen lernt.
Wenn ich nicht ganz bin, wie Du mich lieben müß- test, so ist mein Bewußtsein von Dir vernichtet. Das aber fördert mich, bringt mich Dir näher, wenn auch mein sinnliches Handeln, mein äußeres Leben sich im Rythmus der Liebe bewegt; wenn nichts Einfluß auf mich hat, als das Gefühl, daß ich Dein gehöre, durch eignen freien Willen Dir gewidmet bin.
Ich hab' Dich nicht in diesem äußeren Leben; An- dere rühmen sich Deiner Treue, Deines Vertrauens, Dei- ner Hingebung; ergehen sich mit Dir im Labyrinth Deiner Brust; die Deines Besitzes gewiß sind, die Deiner Lust genügen.
Ich bin nichts, ich habe nichts, dessen Du begehrst; kein Morgen weckt Dich, um nach mir zu fragen; kein Abend leitet Dich heim zu mir; Du bist nicht bei mir daheim.
Aber Vertrauen und Hingebung hab' ich in dieser Innenwelt zu Dir; alle wunderbaren Wege meines Gei-
Da ich Dich aber haben möchte, ſo denke ich an Dich, weil Denken Dich verſtehen lernt.
Wenn ich nicht ganz bin, wie Du mich lieben müß- teſt, ſo iſt mein Bewußtſein von Dir vernichtet. Das aber fördert mich, bringt mich Dir näher, wenn auch mein ſinnliches Handeln, mein äußeres Leben ſich im Rythmus der Liebe bewegt; wenn nichts Einfluß auf mich hat, als das Gefühl, daß ich Dein gehöre, durch eignen freien Willen Dir gewidmet bin.
Ich hab' Dich nicht in dieſem äußeren Leben; An- dere rühmen ſich Deiner Treue, Deines Vertrauens, Dei- ner Hingebung; ergehen ſich mit Dir im Labyrinth Deiner Bruſt; die Deines Beſitzes gewiß ſind, die Deiner Luſt genügen.
Ich bin nichts, ich habe nichts, deſſen Du begehrſt; kein Morgen weckt Dich, um nach mir zu fragen; kein Abend leitet Dich heim zu mir; Du biſt nicht bei mir daheim.
Aber Vertrauen und Hingebung hab' ich in dieſer Innenwelt zu Dir; alle wunderbaren Wege meines Gei-
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Da ich Dich aber haben möchte, ſo denke ich an
Dich, weil Denken Dich verſtehen lernt.
Wenn ich nicht ganz bin, wie Du mich lieben müß-
teſt, ſo iſt mein Bewußtſein von Dir vernichtet. Das
aber fördert mich, bringt mich Dir näher, wenn auch
mein ſinnliches Handeln, mein äußeres Leben ſich im
Rythmus der Liebe bewegt; wenn nichts Einfluß auf
mich hat, als das Gefühl, daß ich Dein gehöre, durch
eignen freien Willen Dir gewidmet bin.
Ich hab' Dich nicht in dieſem äußeren Leben; An-
dere rühmen ſich Deiner Treue, Deines Vertrauens, Dei-
ner Hingebung; ergehen ſich mit Dir im Labyrinth
Deiner Bruſt; die Deines Beſitzes gewiß ſind, die
Deiner Luſt genügen.
Ich bin nichts, ich habe nichts, deſſen Du begehrſt;
kein Morgen weckt Dich, um nach mir zu fragen; kein
Abend leitet Dich heim zu mir; Du biſt nicht bei mir
daheim.
Aber Vertrauen und Hingebung hab' ich in dieſer
Innenwelt zu Dir; alle wunderbaren Wege meines Gei-
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/20>, abgerufen am 16.07.2024.
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