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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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lein hier und denke dem allen nach, und seh im Geist
dem allen zu. Ach und wie ich heute, eh ich in's stille
verlassene Haus eintrat, noch den Berg hinaufging zum
obersten Baum, der so mit mannigfachem Grün um-
wachsen ist, das all von Deiner Hand geleitet wurde,
der seine Äste schützend über den Stein verbreitet, in den
die Weihe der Erinnerung eingegraben ist! -- Dort
oben stand ich ganz allein, ein wenig Mondlicht stahl
sich durch den Baum, ich fühlte an der Rinde des Bau-
mes nach den eingeschnittenen Buchstaben. Ach gute
Nacht. --

Stehle ich dem Schlaf noch länger die Träume, so
werden meine Gedanken Schäume.


Da oben sah ich Dein Haus erleuchtet. Ich dachte:
wenn Du bei diesem Licht meiner harrtest, und ich käm
herab den frischen Mondscheinweg mit so wohl vorbe-
reitetem Herzen, und ich träte ein bei Dir, wie freund-
lich Du mich aufnehmen würdest. Bis ich herab kam
hatte mir meine Einbildungskraft weis gemacht es könne
möglich sein, daß Du da seist, und obschon ich wußte,
daß dies Licht allein in meiner Kammer brenne, denn

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lein hier und denke dem allen nach, und ſeh im Geiſt
dem allen zu. Ach und wie ich heute, eh ich in's ſtille
verlaſſene Haus eintrat, noch den Berg hinaufging zum
oberſten Baum, der ſo mit mannigfachem Grün um-
wachſen iſt, das all von Deiner Hand geleitet wurde,
der ſeine Äſte ſchützend über den Stein verbreitet, in den
die Weihe der Erinnerung eingegraben iſt! — Dort
oben ſtand ich ganz allein, ein wenig Mondlicht ſtahl
ſich durch den Baum, ich fühlte an der Rinde des Bau-
mes nach den eingeſchnittenen Buchſtaben. Ach gute
Nacht. —

Stehle ich dem Schlaf noch länger die Träume, ſo
werden meine Gedanken Schäume.


Da oben ſah ich Dein Haus erleuchtet. Ich dachte:
wenn Du bei dieſem Licht meiner harrteſt, und ich käm
herab den friſchen Mondſcheinweg mit ſo wohl vorbe-
reitetem Herzen, und ich träte ein bei Dir, wie freund-
lich Du mich aufnehmen würdeſt. Bis ich herab kam
hatte mir meine Einbildungskraft weis gemacht es könne
möglich ſein, daß Du da ſeiſt, und obſchon ich wußte,
daß dies Licht allein in meiner Kammer brenne, denn

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[177/0187] lein hier und denke dem allen nach, und ſeh im Geiſt dem allen zu. Ach und wie ich heute, eh ich in's ſtille verlaſſene Haus eintrat, noch den Berg hinaufging zum oberſten Baum, der ſo mit mannigfachem Grün um- wachſen iſt, das all von Deiner Hand geleitet wurde, der ſeine Äſte ſchützend über den Stein verbreitet, in den die Weihe der Erinnerung eingegraben iſt! — Dort oben ſtand ich ganz allein, ein wenig Mondlicht ſtahl ſich durch den Baum, ich fühlte an der Rinde des Bau- mes nach den eingeſchnittenen Buchſtaben. Ach gute Nacht. — Stehle ich dem Schlaf noch länger die Träume, ſo werden meine Gedanken Schäume. Da oben ſah ich Dein Haus erleuchtet. Ich dachte: wenn Du bei dieſem Licht meiner harrteſt, und ich käm herab den friſchen Mondſcheinweg mit ſo wohl vorbe- reitetem Herzen, und ich träte ein bei Dir, wie freund- lich Du mich aufnehmen würdeſt. Bis ich herab kam hatte mir meine Einbildungskraft weis gemacht es könne möglich ſein, daß Du da ſeiſt, und obſchon ich wußte, daß dies Licht allein in meiner Kammer brenne, denn 8**

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/187>, abgerufen am 24.11.2024.