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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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liebten fliegt, nur was liebt, ist Gedanke und fliegt. --
Ja Gedanken sind geistige Vögel.

Wenn ich nicht im Bett wär', so schrieb ich noch
mehr, aber so zieht mich das Kopfkissen nieder.

In Deinem Garten ist's so schön! Alle meine Ge-
danken sind Bienen, sie kommen aus Deinem duftenden
Garten zum Fenster hereingeflogen, das ich mir geöffnet
habe und setzen da ihren Honig ab, den sie in Deinem
blüthenreichen Garten gesammelt haben. -- Und so spät
es ist, nach Mitternacht schon, so kommen sie doch noch
einzeln und umsummen mich und wecken mich aus dem
Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen
Deines Geistes summen unter einander.

Liebe ist Erkenntniß, Schönheit ist das Geheimniß
ihrer Erkenntniß, und so tief ist dies Geheimniß, daß
es sich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's
nur! keiner besitzt das Geheimniß von Dir wie ich es
besitze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe.

Wieder ein Bienchen! -- Deine Schönheit ist
Dein Leben
-- es wollte noch mehr summen, aber der
Wind jagte es wieder zum Fenster hinaus. -- Daß ich
in Deinem Garten schlafe eine Nacht, das ist wohl ein
groß Ereigniß. -- Du hast oft hier herrliche Stunden
verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-

liebten fliegt, nur was liebt, iſt Gedanke und fliegt. —
Ja Gedanken ſind geiſtige Vögel.

Wenn ich nicht im Bett wär', ſo ſchrieb ich noch
mehr, aber ſo zieht mich das Kopfkiſſen nieder.

In Deinem Garten iſt's ſo ſchön! Alle meine Ge-
danken ſind Bienen, ſie kommen aus Deinem duftenden
Garten zum Fenſter hereingeflogen, das ich mir geöffnet
habe und ſetzen da ihren Honig ab, den ſie in Deinem
blüthenreichen Garten geſammelt haben. — Und ſo ſpät
es iſt, nach Mitternacht ſchon, ſo kommen ſie doch noch
einzeln und umſummen mich und wecken mich aus dem
Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen
Deines Geiſtes ſummen unter einander.

Liebe iſt Erkenntniß, Schönheit iſt das Geheimniß
ihrer Erkenntniß, und ſo tief iſt dies Geheimniß, daß
es ſich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's
nur! keiner beſitzt das Geheimniß von Dir wie ich es
beſitze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe.

Wieder ein Bienchen! — Deine Schönheit iſt
Dein Leben
— es wollte noch mehr ſummen, aber der
Wind jagte es wieder zum Fenſter hinaus. — Daß ich
in Deinem Garten ſchlafe eine Nacht, das iſt wohl ein
groß Ereigniß. — Du haſt oft hier herrliche Stunden
verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-

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[176/0186] liebten fliegt, nur was liebt, iſt Gedanke und fliegt. — Ja Gedanken ſind geiſtige Vögel. Wenn ich nicht im Bett wär', ſo ſchrieb ich noch mehr, aber ſo zieht mich das Kopfkiſſen nieder. In Deinem Garten iſt's ſo ſchön! Alle meine Ge- danken ſind Bienen, ſie kommen aus Deinem duftenden Garten zum Fenſter hereingeflogen, das ich mir geöffnet habe und ſetzen da ihren Honig ab, den ſie in Deinem blüthenreichen Garten geſammelt haben. — Und ſo ſpät es iſt, nach Mitternacht ſchon, ſo kommen ſie doch noch einzeln und umſummen mich und wecken mich aus dem Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen Deines Geiſtes ſummen unter einander. Liebe iſt Erkenntniß, Schönheit iſt das Geheimniß ihrer Erkenntniß, und ſo tief iſt dies Geheimniß, daß es ſich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's nur! keiner beſitzt das Geheimniß von Dir wie ich es beſitze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe. Wieder ein Bienchen! — Deine Schönheit iſt Dein Leben — es wollte noch mehr ſummen, aber der Wind jagte es wieder zum Fenſter hinaus. — Daß ich in Deinem Garten ſchlafe eine Nacht, das iſt wohl ein groß Ereigniß. — Du haſt oft hier herrliche Stunden verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/186>, abgerufen am 24.11.2024.