Nein ich will Dich nicht nennen, Du den ich rufe: gieb mir Gehör! Du hörst Dich ja gern beschwätzen -- so hör' auch mir zu; nicht wie jene, die von Dir, über Dich schwätzen, zu Dir, in Deinem Anschauen sammeln sich meine Gedanken; wie der Quell, der das Gestein spaltet und niederrauscht durchs Schattenthal, Blum' um Blume anhaucht; so hauch' ich Dich an, süßer Freund!
Er murmelt nur, der Bach; er plätschert, er lispelt, wenige Melodieen wechseln seinen Lauf; aber vernimm's mit freundlichem Ohr, da wirst Du jauchzen hören; Klagen, Bitten und Trotzen, und noch wirst Du hören und empfinden, Geheimnisse, feierliche, leuchtende, die nur der versteht, der die Liebe hat.
Ich bin nicht mehr müde, ich will nicht mehr schla- fen, der Mond ist aufgegangen mir gegenüber, Wol- ken jagen und decken ihn, immer wieder leuchtet er mich an.
Ich denke mir Dein Haus, die Treppe, daß die im Schatten liege, und daß ich an dieser Treppe sitze,
Nein ich will Dich nicht nennen, Du den ich rufe: gieb mir Gehör! Du hörſt Dich ja gern beſchwätzen — ſo hör' auch mir zu; nicht wie jene, die von Dir, über Dich ſchwätzen, zu Dir, in Deinem Anſchauen ſammeln ſich meine Gedanken; wie der Quell, der das Geſtein ſpaltet und niederrauſcht durchs Schattenthal, Blum' um Blume anhaucht; ſo hauch' ich Dich an, ſüßer Freund!
Er murmelt nur, der Bach; er plätſchert, er lispelt, wenige Melodieen wechſeln ſeinen Lauf; aber vernimm's mit freundlichem Ohr, da wirſt Du jauchzen hören; Klagen, Bitten und Trotzen, und noch wirſt Du hören und empfinden, Geheimniſſe, feierliche, leuchtende, die nur der verſteht, der die Liebe hat.
Ich bin nicht mehr müde, ich will nicht mehr ſchla- fen, der Mond iſt aufgegangen mir gegenüber, Wol- ken jagen und decken ihn, immer wieder leuchtet er mich an.
Ich denke mir Dein Haus, die Treppe, daß die im Schatten liege, und daß ich an dieſer Treppe ſitze,
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Nein ich will Dich nicht nennen, Du den ich rufe:
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Dich ſchwätzen, zu Dir, in Deinem Anſchauen ſammeln
ſich meine Gedanken; wie der Quell, der das Geſtein
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um Blume anhaucht; ſo hauch' ich Dich an, ſüßer
Freund!
Er murmelt nur, der Bach; er plätſchert, er lispelt,
wenige Melodieen wechſeln ſeinen Lauf; aber vernimm's
mit freundlichem Ohr, da wirſt Du jauchzen hören;
Klagen, Bitten und Trotzen, und noch wirſt Du hören
und empfinden, Geheimniſſe, feierliche, leuchtende, die
nur der verſteht, der die Liebe hat.
Ich bin nicht mehr müde, ich will nicht mehr ſchla-
fen, der Mond iſt aufgegangen mir gegenüber, Wol-
ken jagen und decken ihn, immer wieder leuchtet er
mich an.
Ich denke mir Dein Haus, die Treppe, daß die
im Schatten liege, und daß ich an dieſer Treppe ſitze,
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/14>, abgerufen am 16.02.2025.
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