mit ihr, ein vom himmlischen Geistesäther umschwebtes Eiland; es wird aufgelockert und urbar gemacht und göttlicher Saame wird seinen sinnlichen Kräften ver- traut und diese Kräfte regen sich und sprießen in ein höheres Leben, das dem Licht angehört, welches Geist ist, und die Frucht, die dieser göttlicher Saame trägt, ist die Erkenntniß, die wir genießen, damit unsere der Seeligkeit zuwachsenden Kräfte gedeihen.
Wie soll ich's noch darlegen, daß dieses leise Schau- ern und Spielen der Lüfte, des Wassers, des Mondlichts mir wirklich Berührung mit der Geisterwelt war? -- Wie Gott die Schöpfung dachte, da ward der einzige Gedanke: "Es werde" ein Baum, der alle Welten trägt und sie reift. So ist auch dieser Hauch, dies Gelispel der Natur in nächtlicher Stille, ein leiser Geisterhauch, der den Geist weckt und ihn besäet mit allen Gedanken, die ewig währen.
Ich sah ein Inneres in mir, ein Höheres, dem ich mich unterworfen fühlte, dem ich alles opfern sollte, und wo ich's nicht that, da fühlte ich mich aus der Bahn der Erkenntniß herausgeworfen, und noch heute muß ich diese Macht anerkennen, sie spricht allen selbsti- schen Genuß ab, sie trennt von den Ansprüchen an das allgemeine Leben, und hebt über diese hinweg. Es ist
mit ihr, ein vom himmliſchen Geiſtesäther umſchwebtes Eiland; es wird aufgelockert und urbar gemacht und göttlicher Saame wird ſeinen ſinnlichen Kräften ver- traut und dieſe Kräfte regen ſich und ſprießen in ein höheres Leben, das dem Licht angehört, welches Geiſt iſt, und die Frucht, die dieſer göttlicher Saame trägt, iſt die Erkenntniß, die wir genießen, damit unſere der Seeligkeit zuwachſenden Kräfte gedeihen.
Wie ſoll ich's noch darlegen, daß dieſes leiſe Schau- ern und Spielen der Lüfte, des Waſſers, des Mondlichts mir wirklich Berührung mit der Geiſterwelt war? — Wie Gott die Schöpfung dachte, da ward der einzige Gedanke: „Es werde“ ein Baum, der alle Welten trägt und ſie reift. So iſt auch dieſer Hauch, dies Geliſpel der Natur in nächtlicher Stille, ein leiſer Geiſterhauch, der den Geiſt weckt und ihn beſäet mit allen Gedanken, die ewig währen.
Ich ſah ein Inneres in mir, ein Höheres, dem ich mich unterworfen fühlte, dem ich alles opfern ſollte, und wo ich's nicht that, da fühlte ich mich aus der Bahn der Erkenntniß herausgeworfen, und noch heute muß ich dieſe Macht anerkennen, ſie ſpricht allen ſelbſti- ſchen Genuß ab, ſie trennt von den Anſprüchen an das allgemeine Leben, und hebt über dieſe hinweg. Es iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0112"n="102"/>
mit ihr, ein vom himmliſchen Geiſtesäther umſchwebtes<lb/>
Eiland; es wird aufgelockert und urbar gemacht und<lb/>
göttlicher Saame wird ſeinen ſinnlichen Kräften ver-<lb/>
traut und dieſe Kräfte regen ſich und ſprießen in ein<lb/>
höheres Leben, das dem Licht angehört, welches Geiſt<lb/>
iſt, und die Frucht, die dieſer göttlicher Saame trägt,<lb/>
iſt die Erkenntniß, die wir genießen, damit unſere der<lb/>
Seeligkeit zuwachſenden Kräfte gedeihen.</p><lb/><p>Wie ſoll ich's noch darlegen, daß dieſes leiſe Schau-<lb/>
ern und Spielen der Lüfte, des Waſſers, des Mondlichts<lb/>
mir wirklich Berührung mit der Geiſterwelt war? —<lb/>
Wie Gott die Schöpfung dachte, da ward der einzige<lb/>
Gedanke: „Es werde“ ein Baum, der alle Welten trägt<lb/>
und ſie reift. So iſt auch dieſer Hauch, dies Geliſpel<lb/>
der Natur in nächtlicher Stille, ein leiſer Geiſterhauch,<lb/>
der den Geiſt weckt und ihn beſäet mit allen Gedanken,<lb/>
die ewig währen.</p><lb/><p>Ich ſah ein Inneres in mir, ein Höheres, dem ich<lb/>
mich unterworfen fühlte, dem ich alles opfern ſollte,<lb/>
und wo ich's nicht that, da fühlte ich mich aus der<lb/>
Bahn der Erkenntniß herausgeworfen, und noch heute<lb/>
muß ich dieſe Macht anerkennen, ſie ſpricht allen ſelbſti-<lb/>ſchen Genuß ab, ſie trennt von den Anſprüchen an das<lb/>
allgemeine Leben, und hebt über dieſe hinweg. Es iſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[102/0112]
mit ihr, ein vom himmliſchen Geiſtesäther umſchwebtes
Eiland; es wird aufgelockert und urbar gemacht und
göttlicher Saame wird ſeinen ſinnlichen Kräften ver-
traut und dieſe Kräfte regen ſich und ſprießen in ein
höheres Leben, das dem Licht angehört, welches Geiſt
iſt, und die Frucht, die dieſer göttlicher Saame trägt,
iſt die Erkenntniß, die wir genießen, damit unſere der
Seeligkeit zuwachſenden Kräfte gedeihen.
Wie ſoll ich's noch darlegen, daß dieſes leiſe Schau-
ern und Spielen der Lüfte, des Waſſers, des Mondlichts
mir wirklich Berührung mit der Geiſterwelt war? —
Wie Gott die Schöpfung dachte, da ward der einzige
Gedanke: „Es werde“ ein Baum, der alle Welten trägt
und ſie reift. So iſt auch dieſer Hauch, dies Geliſpel
der Natur in nächtlicher Stille, ein leiſer Geiſterhauch,
der den Geiſt weckt und ihn beſäet mit allen Gedanken,
die ewig währen.
Ich ſah ein Inneres in mir, ein Höheres, dem ich
mich unterworfen fühlte, dem ich alles opfern ſollte,
und wo ich's nicht that, da fühlte ich mich aus der
Bahn der Erkenntniß herausgeworfen, und noch heute
muß ich dieſe Macht anerkennen, ſie ſpricht allen ſelbſti-
ſchen Genuß ab, ſie trennt von den Anſprüchen an das
allgemeine Leben, und hebt über dieſe hinweg. Es iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/112>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.