Nichts hab' ich zu verlieren, nichts hab' ich zu ge- winnen, zwischen mir und jedem Gewinn schwebst Du, der göttlich strahlend im Geist, alles Glück überbietet; zwischen mir und jedem Verlust bist Du, der sich mir menschlich herabneigt.
Ich verstehe nur das Eine, an Deinem Busen die Zeit zu verträumen; -- ich verstehe nicht Deiner Schwin- gen Bewegung, die Dich in den Äther tragen, da dro- ben in schwindelnder Höhe über mir, im ewigen Blau Dich schwebend erhalten.
Mich und die Welt umkleidet Dein Glanz, Dein Licht ist Traumlicht der höheren Welt, wir athmen ihre Luft, wir erwachen im Duft der Erinnerung; ja sie duf- tet uns, sie hebt uns, und trägt unser schwankendes Loos auf ihren spiegelnden Fluthen der Götter allum- fassenden Armen entgegen.
Du aber hast's mir in der Wiege gesungen, daß ich Deinem Gesang, der in Träumen mich wiegt über das Loos meiner Tage, träumend auch lausche bis an's End' meiner Tage.
Nichts hab' ich zu verlieren, nichts hab' ich zu ge- winnen, zwiſchen mir und jedem Gewinn ſchwebſt Du, der göttlich ſtrahlend im Geiſt, alles Glück überbietet; zwiſchen mir und jedem Verluſt biſt Du, der ſich mir menſchlich herabneigt.
Ich verſtehe nur das Eine, an Deinem Buſen die Zeit zu verträumen; — ich verſtehe nicht Deiner Schwin- gen Bewegung, die Dich in den Äther tragen, da dro- ben in ſchwindelnder Höhe über mir, im ewigen Blau Dich ſchwebend erhalten.
Mich und die Welt umkleidet Dein Glanz, Dein Licht iſt Traumlicht der höheren Welt, wir athmen ihre Luft, wir erwachen im Duft der Erinnerung; ja ſie duf- tet uns, ſie hebt uns, und trägt unſer ſchwankendes Loos auf ihren ſpiegelnden Fluthen der Götter allum- faſſenden Armen entgegen.
Du aber haſt's mir in der Wiege geſungen, daß ich Deinem Geſang, der in Träumen mich wiegt über das Loos meiner Tage, träumend auch lauſche bis an's End' meiner Tage.
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Nichts hab' ich zu verlieren, nichts hab' ich zu ge-
winnen, zwiſchen mir und jedem Gewinn ſchwebſt Du,
der göttlich ſtrahlend im Geiſt, alles Glück überbietet;
zwiſchen mir und jedem Verluſt biſt Du, der ſich mir
menſchlich herabneigt.
Ich verſtehe nur das Eine, an Deinem Buſen die
Zeit zu verträumen; — ich verſtehe nicht Deiner Schwin-
gen Bewegung, die Dich in den Äther tragen, da dro-
ben in ſchwindelnder Höhe über mir, im ewigen Blau
Dich ſchwebend erhalten.
Mich und die Welt umkleidet Dein Glanz, Dein
Licht iſt Traumlicht der höheren Welt, wir athmen ihre
Luft, wir erwachen im Duft der Erinnerung; ja ſie duf-
tet uns, ſie hebt uns, und trägt unſer ſchwankendes
Loos auf ihren ſpiegelnden Fluthen der Götter allum-
faſſenden Armen entgegen.
Du aber haſt's mir in der Wiege geſungen, daß
ich Deinem Geſang, der in Träumen mich wiegt über
das Loos meiner Tage, träumend auch lauſche bis an's
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/108>, abgerufen am 26.06.2024.
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