[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Runde, wie hier in deinem Verschlag; dort liefst du Tagebuch. 5
Runde, wie hier in deinem Verſchlag; dort liefſt du Tagebuch. 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="97"/> Runde, wie hier in deinem Verſchlag; dort liefſt du<lb/> doch deines Weges immer zu, und konnteſt mit jedem<lb/> Schritt hoffen, endlich einen Gefährten zu treffen, hier<lb/> aber war deines Ziels kein Ende, und doch war alle<lb/> Hoffnung abgeſchnitten. Armes Thier! wie ſchaudert<lb/> mich dein Geſchick, und wie nah verwandt mag es<lb/> dem meinen ſein! Ich auch lauf' in die Runde, da<lb/> oben ſeh' ich die Sterne ſchimmern, aber ſie halten alle<lb/> feſt, keiner ſenkt ſich herab, und von hier aus iſt es ſo<lb/> weit bis zu ihnen, und was ſich lieben laſſen will, das<lb/> ſoll mir nah kommen; aber ſo war mir's in der Wiege<lb/> geſungen, daß ich mußte einen Stern lieben und der<lb/> Stern blieb mir fern; lange Zeit hab' ich nach ihm ge-<lb/> ſtrebt und meine Sinne waren aufgegangen in dieſem<lb/> Streben, ſo daß ich nichts ſah, nichts hörte und auch<lb/> nichts dachte, als nur meinen Stern, der ſich nicht vom<lb/> Firmament losreißen werde, um ſich mir zu neigen. —<lb/> Mir träumt, der Stern ſenkt ſich tiefer und tiefer, ſchon<lb/> kann ich ſein Antlitz erkennen, ſein Strahlen wird zum<lb/> Auge, es ſieht mich an und meine Augen ſpiegeln ſich<lb/> in ihm. Sein Glanz umbreitet mich, von allem auf<lb/> Erden, ſo weit ich denken kann, ſo weit mich meine<lb/> Sinne tragen, bin ich getrennt durch meinen Stern.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Tagebuch. 5</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0107]
Runde, wie hier in deinem Verſchlag; dort liefſt du
doch deines Weges immer zu, und konnteſt mit jedem
Schritt hoffen, endlich einen Gefährten zu treffen, hier
aber war deines Ziels kein Ende, und doch war alle
Hoffnung abgeſchnitten. Armes Thier! wie ſchaudert
mich dein Geſchick, und wie nah verwandt mag es
dem meinen ſein! Ich auch lauf' in die Runde, da
oben ſeh' ich die Sterne ſchimmern, aber ſie halten alle
feſt, keiner ſenkt ſich herab, und von hier aus iſt es ſo
weit bis zu ihnen, und was ſich lieben laſſen will, das
ſoll mir nah kommen; aber ſo war mir's in der Wiege
geſungen, daß ich mußte einen Stern lieben und der
Stern blieb mir fern; lange Zeit hab' ich nach ihm ge-
ſtrebt und meine Sinne waren aufgegangen in dieſem
Streben, ſo daß ich nichts ſah, nichts hörte und auch
nichts dachte, als nur meinen Stern, der ſich nicht vom
Firmament losreißen werde, um ſich mir zu neigen. —
Mir träumt, der Stern ſenkt ſich tiefer und tiefer, ſchon
kann ich ſein Antlitz erkennen, ſein Strahlen wird zum
Auge, es ſieht mich an und meine Augen ſpiegeln ſich
in ihm. Sein Glanz umbreitet mich, von allem auf
Erden, ſo weit ich denken kann, ſo weit mich meine
Sinne tragen, bin ich getrennt durch meinen Stern.
Tagebuch. 5
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