meine Bekanntschaft machen zu wollen, ich komme ihm zuvor und schütte ihm mein ganzes Herz aus, meine Begeisterung für die Tyroler, und daß ich aus Sehn- sucht alle Tage auf den Schneckenthurm steige mit dem Fernrohr, daß man heute aber eine Schildwache hinge- pflanzt habe, die mich nicht hinaufgelassen; gerührt über mein Zutrauen, küßt er mir die Hand und ver- spricht mir, die Schildwache wegzubeordern, -- es war keine List von mir, denn ich hätte wirklich nicht gewußt mich anders zu benehmen, indessen ist durch dieses Ver- fahren der Freund weiß gebrennt und ich nicht schwarz.
Ein paar Tage später, in der Charwoche, indem ich Abends in der Dämmerung in meinem Zimmer al- lein war, treten zwei Tyroler bei mir ein, ich bin ver- wundert, aber nicht erschrocken. -- Der eine nimmt mich bei der Hand und sagt: wir wissen daß Du den Tyro- lern gut bist und wollen Dich um eine Gefälligkeit bit- ten; es waren Papiere an Stadion und mündliche Auf- träge, sie sagten mir noch, es würde gewiß ein Augen- blick kommen, da ich ihnen Dienste leisten könne, es war mir so wunderlich, ich glaubte es könne eine List sein mich auszuforschen, doch war ich kurz gefaßt und sagte: Ihr mögt mich nun betrügen oder nicht, so werd ich thun was ihr von mir verlangt; der Tyroler sieht
meine Bekanntſchaft machen zu wollen, ich komme ihm zuvor und ſchütte ihm mein ganzes Herz aus, meine Begeiſterung für die Tyroler, und daß ich aus Sehn- ſucht alle Tage auf den Schneckenthurm ſteige mit dem Fernrohr, daß man heute aber eine Schildwache hinge- pflanzt habe, die mich nicht hinaufgelaſſen; gerührt über mein Zutrauen, küßt er mir die Hand und ver- ſpricht mir, die Schildwache wegzubeordern, — es war keine Liſt von mir, denn ich hätte wirklich nicht gewußt mich anders zu benehmen, indeſſen iſt durch dieſes Ver- fahren der Freund weiß gebrennt und ich nicht ſchwarz.
Ein paar Tage ſpäter, in der Charwoche, indem ich Abends in der Dämmerung in meinem Zimmer al- lein war, treten zwei Tyroler bei mir ein, ich bin ver- wundert, aber nicht erſchrocken. — Der eine nimmt mich bei der Hand und ſagt: wir wiſſen daß Du den Tyro- lern gut biſt und wollen Dich um eine Gefälligkeit bit- ten; es waren Papiere an Stadion und mündliche Auf- träge, ſie ſagten mir noch, es würde gewiß ein Augen- blick kommen, da ich ihnen Dienſte leiſten könne, es war mir ſo wunderlich, ich glaubte es könne eine Liſt ſein mich auszuforſchen, doch war ich kurz gefaßt und ſagte: Ihr mögt mich nun betrügen oder nicht, ſo werd ich thun was ihr von mir verlangt; der Tyroler ſieht
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meine Bekanntſchaft machen zu wollen, ich komme ihm
zuvor und ſchütte ihm mein ganzes Herz aus, meine
Begeiſterung für die Tyroler, und daß ich aus Sehn-
ſucht alle Tage auf den Schneckenthurm ſteige mit dem
Fernrohr, daß man heute aber eine Schildwache hinge-
pflanzt habe, die mich nicht hinaufgelaſſen; gerührt
über mein Zutrauen, küßt er mir die Hand und ver-
ſpricht mir, die Schildwache wegzubeordern, — es war
keine Liſt von mir, denn ich hätte wirklich nicht gewußt
mich anders zu benehmen, indeſſen iſt durch dieſes Ver-
fahren der Freund weiß gebrennt und ich nicht ſchwarz.
Ein paar Tage ſpäter, in der Charwoche, indem
ich Abends in der Dämmerung in meinem Zimmer al-
lein war, treten zwei Tyroler bei mir ein, ich bin ver-
wundert, aber nicht erſchrocken. — Der eine nimmt mich
bei der Hand und ſagt: wir wiſſen daß Du den Tyro-
lern gut biſt und wollen Dich um eine Gefälligkeit bit-
ten; es waren Papiere an Stadion und mündliche Auf-
träge, ſie ſagten mir noch, es würde gewiß ein Augen-
blick kommen, da ich ihnen Dienſte leiſten könne, es
war mir ſo wunderlich, ich glaubte es könne eine Liſt
ſein mich auszuforſchen, doch war ich kurz gefaßt und
ſagte: Ihr mögt mich nun betrügen oder nicht, ſo werd
ich thun was ihr von mir verlangt; der Tyroler ſieht
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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