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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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Gang bringen; auf allen Gassen schreit man Krieg, die
Bibliothekardiener rennen umher um ausgeliehene Ma-
nuscripte und Bücher wieder einzufordern, denn alles
wird eingepackt. Hamberger, ein zweiter Hercules, --
denn wie jener die Stallungen der zwanzigtausend Rin-
der, so mistet er die Bibliothek von achtzigtausend Bän-
den aus, und jammert daß alle geschehene Arbeit um-
sonst ist. Auch die Gallerie soll eingepackt werden;
kurz, die schönen Künste sind in der ärgsten Consterna-
tion. Opern und Musik ist Valet gesagt, der erlauchte
Liebhaber der Prima Donna zieht zu Felde; die Aca-
demie steckt Trauerampeln aus, und bedeckt ihr Antlitz
bis der Sturm vorbei, und so wär alles in stiller mü-
der Erwartung des Feindes, der vielleicht gar nicht
kommt. Ich auch bin in Gährung, und zwar in revo-
lutionairer. -- Die Tyroler, mit denen halt ich's, das
kannst Du denken. Ach ich bin's müde, des Nachbars
Flöte oben in der Dachkammer bis in die späte Nacht
ihr Stückchen blasen zu hören, die Trommel und die
Trompete die machen das Herz frisch.

Ach hätt' ich ein Wämslein und Hosen und
Hut
, ich lief hinüber zu den gradnasigen, gradherzigen
Tyrolern und ließ ihre schöne grüne Standarte im
Winde klatschen.

Gang bringen; auf allen Gaſſen ſchreit man Krieg, die
Bibliothekardiener rennen umher um ausgeliehene Ma-
nuſcripte und Bücher wieder einzufordern, denn alles
wird eingepackt. Hamberger, ein zweiter Hercules, —
denn wie jener die Stallungen der zwanzigtauſend Rin-
der, ſo miſtet er die Bibliothek von achtzigtauſend Bän-
den aus, und jammert daß alle geſchehene Arbeit um-
ſonſt iſt. Auch die Gallerie ſoll eingepackt werden;
kurz, die ſchönen Künſte ſind in der ärgſten Conſterna-
tion. Opern und Muſik iſt Valet geſagt, der erlauchte
Liebhaber der Prima Donna zieht zu Felde; die Aca-
demie ſteckt Trauerampeln aus, und bedeckt ihr Antlitz
bis der Sturm vorbei, und ſo wär alles in ſtiller mü-
der Erwartung des Feindes, der vielleicht gar nicht
kommt. Ich auch bin in Gährung, und zwar in revo-
lutionairer. — Die Tyroler, mit denen halt ich's, das
kannſt Du denken. Ach ich bin's müde, des Nachbars
Flöte oben in der Dachkammer bis in die ſpäte Nacht
ihr Stückchen blaſen zu hören, die Trommel und die
Trompete die machen das Herz friſch.

Ach hätt' ich ein Wämslein und Hoſen und
Hut
, ich lief hinüber zu den gradnaſigen, gradherzigen
Tyrolern und ließ ihre ſchöne grüne Standarte im
Winde klatſchen.

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[30/0040] Gang bringen; auf allen Gaſſen ſchreit man Krieg, die Bibliothekardiener rennen umher um ausgeliehene Ma- nuſcripte und Bücher wieder einzufordern, denn alles wird eingepackt. Hamberger, ein zweiter Hercules, — denn wie jener die Stallungen der zwanzigtauſend Rin- der, ſo miſtet er die Bibliothek von achtzigtauſend Bän- den aus, und jammert daß alle geſchehene Arbeit um- ſonſt iſt. Auch die Gallerie ſoll eingepackt werden; kurz, die ſchönen Künſte ſind in der ärgſten Conſterna- tion. Opern und Muſik iſt Valet geſagt, der erlauchte Liebhaber der Prima Donna zieht zu Felde; die Aca- demie ſteckt Trauerampeln aus, und bedeckt ihr Antlitz bis der Sturm vorbei, und ſo wär alles in ſtiller mü- der Erwartung des Feindes, der vielleicht gar nicht kommt. Ich auch bin in Gährung, und zwar in revo- lutionairer. — Die Tyroler, mit denen halt ich's, das kannſt Du denken. Ach ich bin's müde, des Nachbars Flöte oben in der Dachkammer bis in die ſpäte Nacht ihr Stückchen blaſen zu hören, die Trommel und die Trompete die machen das Herz friſch. Ach hätt' ich ein Wämslein und Hoſen und Hut, ich lief hinüber zu den gradnaſigen, gradherzigen Tyrolern und ließ ihre ſchöne grüne Standarte im Winde klatſchen.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/40>, abgerufen am 25.11.2024.