der Gemeinheit ihn höher, aber ein Kind vom Strahl seiner Augen entzündet, ergriff den Saum seines Ge- wandes und begleitete ihn bis zu den Stufen des Thro- nes, dort aber drängte das berauschte Volk den unschul- digen ungenannten, unberathnen Knaben zurück hinter der Philister aufgepflanzte Fahnenreihe. -- Jetzt harret er auf die einsame Stätte des Grabes, da wird er die Mauern um den Opferaltar hochbauen, daß kein Wind die Flamme verlösche, während sie, der Asche des Ge- liebten zu Ehren, die dargebrachten Blumen in Asche verwandelt. Aber Natur! bist du es die den Aufge- lösten verbirgt? -- Nein! nein! denn die Töne die der Leier entschweben sind dem Lichte erzeugt, und der Erde entnommen, und wie das Lied, entschwebt auch der ge- liebte Geist in die Freiheit höherer Regionen und je un- ermeßlicher die Höhe, je endloser die Tiefe dessen der liebend zurück bleibt, wenn nicht der befreite Geist ihn erkennt, ihn berührt, ihn weihet im Entfliehen.
Und so mir o Goethe wird die Verzweiflung den Busen durchschneiden, wenn am einsamsten Orte ver- weilend ich dem Genuß Deiner Betrachtung mich weihe und die Natur um mich her wird ein Kerker der mich allein umschließt wenn Du ihm entschwebt bist, ohne daß dein Geist, der Inhalt meiner Liebe mich berührt
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der Gemeinheit ihn höher, aber ein Kind vom Strahl ſeiner Augen entzündet, ergriff den Saum ſeines Ge- wandes und begleitete ihn bis zu den Stufen des Thro- nes, dort aber drängte das berauſchte Volk den unſchul- digen ungenannten, unberathnen Knaben zurück hinter der Philiſter aufgepflanzte Fahnenreihe. — Jetzt harret er auf die einſame Stätte des Grabes, da wird er die Mauern um den Opferaltar hochbauen, daß kein Wind die Flamme verlöſche, während ſie, der Aſche des Ge- liebten zu Ehren, die dargebrachten Blumen in Aſche verwandelt. Aber Natur! biſt du es die den Aufge- löſten verbirgt? — Nein! nein! denn die Töne die der Leier entſchweben ſind dem Lichte erzeugt, und der Erde entnommen, und wie das Lied, entſchwebt auch der ge- liebte Geiſt in die Freiheit höherer Regionen und je un- ermeßlicher die Höhe, je endloſer die Tiefe deſſen der liebend zurück bleibt, wenn nicht der befreite Geiſt ihn erkennt, ihn berührt, ihn weihet im Entfliehen.
Und ſo mir o Goethe wird die Verzweiflung den Buſen durchſchneiden, wenn am einſamſten Orte ver- weilend ich dem Genuß Deiner Betrachtung mich weihe und die Natur um mich her wird ein Kerker der mich allein umſchließt wenn Du ihm entſchwebt biſt, ohne daß dein Geiſt, der Inhalt meiner Liebe mich berührt
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der Gemeinheit ihn höher, aber ein Kind vom Strahl
ſeiner Augen entzündet, ergriff den Saum ſeines Ge-
wandes und begleitete ihn bis zu den Stufen des Thro-
nes, dort aber drängte das berauſchte Volk den unſchul-
digen ungenannten, unberathnen Knaben zurück hinter
der Philiſter aufgepflanzte Fahnenreihe. — Jetzt harret
er auf die einſame Stätte des Grabes, da wird er die
Mauern um den Opferaltar hochbauen, daß kein Wind
die Flamme verlöſche, während ſie, der Aſche des Ge-
liebten zu Ehren, die dargebrachten Blumen in Aſche
verwandelt. Aber Natur! biſt du es die den Aufge-
löſten verbirgt? — Nein! nein! denn die Töne die der
Leier entſchweben ſind dem Lichte erzeugt, und der Erde
entnommen, und wie das Lied, entſchwebt auch der ge-
liebte Geiſt in die Freiheit höherer Regionen und je un-
ermeßlicher die Höhe, je endloſer die Tiefe deſſen der
liebend zurück bleibt, wenn nicht der befreite Geiſt ihn
erkennt, ihn berührt, ihn weihet im Entfliehen.
Und ſo mir o Goethe wird die Verzweiflung den
Buſen durchſchneiden, wenn am einſamſten Orte ver-
weilend ich dem Genuß Deiner Betrachtung mich weihe
und die Natur um mich her wird ein Kerker der mich
allein umſchließt wenn Du ihm entſchwebt biſt, ohne
daß dein Geiſt, der Inhalt meiner Liebe mich berührt
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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