Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Tafel hielt, drängte ich mich durch die Wachen, und
kam in den Saal statt auf die Gallerie. Es wurde in
die Trompeten gestoßen, bei dem dritten Stoß erschien
er in einem rothen Sammtmantel, den ihm zwei Kam-
merherrn abnahmen, er ging langsam mit etwas ge-
beugtem Haupt. Ich war ihm ganz nah, und dachte
an nichts, daß ich auf dem unrechten Platz wäre, seine
Gesundheit wurde von allen anwesenden großen Herren
getrunken und die Trompeten schmetterten drein, da
jauchzte ich laut mit, der Kaiser sah mich an, er nahm
den Becher um Bescheid zu thun und nickte mir, ja da
kam mir's vor als hätte er den Becher mir bringen wol-
len, und ich muß noch heute dran glauben, es würde
mir zu viel kosten wenn ich diesen Gedanken, dem ich
so viel Glücksthränen geweint habe, aufgeben müßte;
warum sollte er auch nicht, er mußte ja wohl die große
Begeistrung in meinen Augen lesen; damals im Saal
bei dem Geschmetter der Pauken und Trompeten die
den Trunk, womit er den Fürsten Bescheid that, beglei-
teten, ward ich ganz elend und betäubt, so sehr
nahm ich mir diese eingebildete Ehre zu Herzen, meine
Schwester hatte Mühe mich hinaus zu bringen an die
frische Luft, sie schmälte mit mir daß sie wegen meiner
des Vergnügens verlustig war den Kaiser speisen zu se-

Tafel hielt, drängte ich mich durch die Wachen, und
kam in den Saal ſtatt auf die Gallerie. Es wurde in
die Trompeten geſtoßen, bei dem dritten Stoß erſchien
er in einem rothen Sammtmantel, den ihm zwei Kam-
merherrn abnahmen, er ging langſam mit etwas ge-
beugtem Haupt. Ich war ihm ganz nah, und dachte
an nichts, daß ich auf dem unrechten Platz wäre, ſeine
Geſundheit wurde von allen anweſenden großen Herren
getrunken und die Trompeten ſchmetterten drein, da
jauchzte ich laut mit, der Kaiſer ſah mich an, er nahm
den Becher um Beſcheid zu thun und nickte mir, ja da
kam mir's vor als hätte er den Becher mir bringen wol-
len, und ich muß noch heute dran glauben, es würde
mir zu viel koſten wenn ich dieſen Gedanken, dem ich
ſo viel Glücksthränen geweint habe, aufgeben müßte;
warum ſollte er auch nicht, er mußte ja wohl die große
Begeiſtrung in meinen Augen leſen; damals im Saal
bei dem Geſchmetter der Pauken und Trompeten die
den Trunk, womit er den Fürſten Beſcheid that, beglei-
teten, ward ich ganz elend und betäubt, ſo ſehr
nahm ich mir dieſe eingebildete Ehre zu Herzen, meine
Schweſter hatte Mühe mich hinaus zu bringen an die
friſche Luft, ſie ſchmälte mit mir daß ſie wegen meiner
des Vergnügens verluſtig war den Kaiſer ſpeiſen zu ſe-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="274"/>
Tafel hielt, drängte ich mich durch die Wachen, und<lb/>
kam in den Saal &#x017F;tatt auf die Gallerie. Es wurde in<lb/>
die Trompeten ge&#x017F;toßen, bei dem dritten Stoß er&#x017F;chien<lb/>
er in einem rothen Sammtmantel, den ihm zwei Kam-<lb/>
merherrn abnahmen, er ging lang&#x017F;am mit etwas ge-<lb/>
beugtem Haupt. Ich war ihm ganz nah, und dachte<lb/>
an nichts, daß ich auf dem unrechten Platz wäre, &#x017F;eine<lb/>
Ge&#x017F;undheit wurde von allen anwe&#x017F;enden großen Herren<lb/>
getrunken und die Trompeten &#x017F;chmetterten drein, da<lb/>
jauchzte ich laut mit, der Kai&#x017F;er &#x017F;ah mich an, er nahm<lb/>
den Becher um Be&#x017F;cheid zu thun und nickte mir, ja da<lb/>
kam mir's vor als hätte er den Becher mir bringen wol-<lb/>
len, und ich muß noch heute dran glauben, es würde<lb/>
mir zu viel ko&#x017F;ten wenn ich die&#x017F;en Gedanken, dem ich<lb/>
&#x017F;o viel Glücksthränen geweint habe, aufgeben müßte;<lb/>
warum &#x017F;ollte er auch nicht, er mußte ja wohl die große<lb/>
Begei&#x017F;trung in meinen Augen le&#x017F;en; damals im Saal<lb/>
bei dem Ge&#x017F;chmetter der Pauken und Trompeten die<lb/>
den Trunk, womit er den Für&#x017F;ten Be&#x017F;cheid that, beglei-<lb/>
teten, ward ich ganz elend und betäubt, &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
nahm ich mir die&#x017F;e eingebildete Ehre zu Herzen, meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter hatte Mühe mich hinaus zu bringen an die<lb/>
fri&#x017F;che Luft, &#x017F;ie &#x017F;chmälte mit mir daß &#x017F;ie wegen meiner<lb/>
des Vergnügens verlu&#x017F;tig war den Kai&#x017F;er &#x017F;pei&#x017F;en zu &#x017F;e-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0284] Tafel hielt, drängte ich mich durch die Wachen, und kam in den Saal ſtatt auf die Gallerie. Es wurde in die Trompeten geſtoßen, bei dem dritten Stoß erſchien er in einem rothen Sammtmantel, den ihm zwei Kam- merherrn abnahmen, er ging langſam mit etwas ge- beugtem Haupt. Ich war ihm ganz nah, und dachte an nichts, daß ich auf dem unrechten Platz wäre, ſeine Geſundheit wurde von allen anweſenden großen Herren getrunken und die Trompeten ſchmetterten drein, da jauchzte ich laut mit, der Kaiſer ſah mich an, er nahm den Becher um Beſcheid zu thun und nickte mir, ja da kam mir's vor als hätte er den Becher mir bringen wol- len, und ich muß noch heute dran glauben, es würde mir zu viel koſten wenn ich dieſen Gedanken, dem ich ſo viel Glücksthränen geweint habe, aufgeben müßte; warum ſollte er auch nicht, er mußte ja wohl die große Begeiſtrung in meinen Augen leſen; damals im Saal bei dem Geſchmetter der Pauken und Trompeten die den Trunk, womit er den Fürſten Beſcheid that, beglei- teten, ward ich ganz elend und betäubt, ſo ſehr nahm ich mir dieſe eingebildete Ehre zu Herzen, meine Schweſter hatte Mühe mich hinaus zu bringen an die friſche Luft, ſie ſchmälte mit mir daß ſie wegen meiner des Vergnügens verluſtig war den Kaiſer ſpeiſen zu ſe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/284
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/284>, abgerufen am 25.07.2024.