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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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wische ich ihm den Schweiß vom Gesicht ganz gelinde,
man kann es kaum ohne ihm weh zu thun, und so
leiste ich ihm allerlei kleine Dienste, die ihm die Zeit
vertreiben, Englisch will er mir auch lehren, allen Zorn
und Krankheitsunmuth läßt er denn an mir aus, daß
ich so dumm bin, so absurd frage und nie die Antwort
verstehe, ich auch bin verwundert; denn ich hab' mit
den Leuten geglaubt ich sei sehr klug wo nicht gar ein
Genie, und nun stoße ich auf solche Untiefen wo gar
kein Grund zu erfassen ist, nämlich der Lerngrund, und
ich muß erstaunt bekennen daß ich in meinem Leben
nichts gelernt habe.

Eh ich von Dir wußte, wußt ich auch nichts von
mir, nachher waren Sinne und Gefühl auf Dich gerich-
tet, und nun die Rose blüht, glüht und duftet, so kann
sie's doch nicht von sich geben, was sie in Geheim er-
fahren hat. Du bist der mir's angethan hat, daß ich
mit Schimpf und Schand bestehe vor den Philistern, die
eine Reihe von Talenten an einem Frauenzimmer schäz-
zenswerth finden. Das Frauenzimmer selbst aber ohne
diese nicht.

Klavier spielen, Arien singen, fremde Sprachen spre-
chen, Geschichte und Naturwissenschaft das macht den
liebenswerthen Charakter, ach und ich hab' immer hin-

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wiſche ich ihm den Schweiß vom Geſicht ganz gelinde,
man kann es kaum ohne ihm weh zu thun, und ſo
leiſte ich ihm allerlei kleine Dienſte, die ihm die Zeit
vertreiben, Engliſch will er mir auch lehren, allen Zorn
und Krankheitsunmuth läßt er denn an mir aus, daß
ich ſo dumm bin, ſo abſurd frage und nie die Antwort
verſtehe, ich auch bin verwundert; denn ich hab' mit
den Leuten geglaubt ich ſei ſehr klug wo nicht gar ein
Genie, und nun ſtoße ich auf ſolche Untiefen wo gar
kein Grund zu erfaſſen iſt, nämlich der Lerngrund, und
ich muß erſtaunt bekennen daß ich in meinem Leben
nichts gelernt habe.

Eh ich von Dir wußte, wußt ich auch nichts von
mir, nachher waren Sinne und Gefühl auf Dich gerich-
tet, und nun die Roſe blüht, glüht und duftet, ſo kann
ſie's doch nicht von ſich geben, was ſie in Geheim er-
fahren hat. Du biſt der mir's angethan hat, daß ich
mit Schimpf und Schand beſtehe vor den Philiſtern, die
eine Reihe von Talenten an einem Frauenzimmer ſchäz-
zenswerth finden. Das Frauenzimmer ſelbſt aber ohne
dieſe nicht.

Klavier ſpielen, Arien ſingen, fremde Sprachen ſpre-
chen, Geſchichte und Naturwiſſenſchaft das macht den
liebenswerthen Charakter, ach und ich hab' immer hin-

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[9/0019] wiſche ich ihm den Schweiß vom Geſicht ganz gelinde, man kann es kaum ohne ihm weh zu thun, und ſo leiſte ich ihm allerlei kleine Dienſte, die ihm die Zeit vertreiben, Engliſch will er mir auch lehren, allen Zorn und Krankheitsunmuth läßt er denn an mir aus, daß ich ſo dumm bin, ſo abſurd frage und nie die Antwort verſtehe, ich auch bin verwundert; denn ich hab' mit den Leuten geglaubt ich ſei ſehr klug wo nicht gar ein Genie, und nun ſtoße ich auf ſolche Untiefen wo gar kein Grund zu erfaſſen iſt, nämlich der Lerngrund, und ich muß erſtaunt bekennen daß ich in meinem Leben nichts gelernt habe. Eh ich von Dir wußte, wußt ich auch nichts von mir, nachher waren Sinne und Gefühl auf Dich gerich- tet, und nun die Roſe blüht, glüht und duftet, ſo kann ſie's doch nicht von ſich geben, was ſie in Geheim er- fahren hat. Du biſt der mir's angethan hat, daß ich mit Schimpf und Schand beſtehe vor den Philiſtern, die eine Reihe von Talenten an einem Frauenzimmer ſchäz- zenswerth finden. Das Frauenzimmer ſelbſt aber ohne dieſe nicht. Klavier ſpielen, Arien ſingen, fremde Sprachen ſpre- chen, Geſchichte und Naturwiſſenſchaft das macht den liebenswerthen Charakter, ach und ich hab' immer hin- 1**

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/19>, abgerufen am 22.11.2024.