Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

unter den schwärmenden Bienen ruhig zu sein, befiel
mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir
nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau-
send Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Besuch
gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf
den sie sich setzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich
gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken besonders
hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch
den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die
ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausschmecke. So
lehrte sie mich auch, daß wenn die Bienen erstarrt wa-
ren, sie wieder beleben. Sie rieb sich die Hand mit
Nesseln und mit einem duftenden Kräutchen, welches
man Katzenstieg nennt; machte den großen Schieber des
Bienenhauses auf und steckte die Hand hinein. Da setz-
ten sie sich alle auf die Hand, und wärmten sich, das
hab' ich oft auch mitgemacht; da steckte die kleine Hand
und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's
auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; siehst
du, so verliert man seine Unschuld und die hohen Gaben,
die man durch sie hat.

Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes
kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im
Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-

unter den ſchwärmenden Bienen ruhig zu ſein, befiel
mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir
nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau-
ſend Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Beſuch
gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf
den ſie ſich ſetzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich
gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken beſonders
hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch
den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die
ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausſchmecke. So
lehrte ſie mich auch, daß wenn die Bienen erſtarrt wa-
ren, ſie wieder beleben. Sie rieb ſich die Hand mit
Neſſeln und mit einem duftenden Kräutchen, welches
man Katzenſtieg nennt; machte den großen Schieber des
Bienenhauſes auf und ſteckte die Hand hinein. Da ſetz-
ten ſie ſich alle auf die Hand, und wärmten ſich, das
hab' ich oft auch mitgemacht; da ſteckte die kleine Hand
und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's
auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; ſiehſt
du, ſo verliert man ſeine Unſchuld und die hohen Gaben,
die man durch ſie hat.

Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes
kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im
Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0326" n="294"/>
unter den &#x017F;chwärmenden Bienen ruhig zu &#x017F;ein, befiel<lb/>
mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir<lb/>
nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau-<lb/>
&#x017F;end Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Be&#x017F;uch<lb/>
gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf<lb/>
den &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;etzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich<lb/>
gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken be&#x017F;onders<lb/>
hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch<lb/>
den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die<lb/>
ich gepflanzt hatte, aus dem Honig heraus&#x017F;chmecke. So<lb/>
lehrte &#x017F;ie mich auch, daß wenn die Bienen er&#x017F;tarrt wa-<lb/>
ren, &#x017F;ie wieder beleben. Sie rieb &#x017F;ich die Hand mit<lb/>
Ne&#x017F;&#x017F;eln und mit einem duftenden Kräutchen, welches<lb/>
man Katzen&#x017F;tieg nennt; machte den großen Schieber des<lb/>
Bienenhau&#x017F;es auf und &#x017F;teckte die Hand hinein. Da &#x017F;etz-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;ich alle auf die Hand, und wärmten &#x017F;ich, das<lb/>
hab' ich oft auch mitgemacht; da &#x017F;teckte die kleine Hand<lb/>
und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's<lb/>
auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; &#x017F;ieh&#x017F;t<lb/>
du, &#x017F;o verliert man &#x017F;eine Un&#x017F;chuld und die hohen Gaben,<lb/>
die man durch &#x017F;ie hat.</p><lb/>
          <p>Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes<lb/>
kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im<lb/>
Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0326] unter den ſchwärmenden Bienen ruhig zu ſein, befiel mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau- ſend Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Beſuch gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf den ſie ſich ſetzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken beſonders hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausſchmecke. So lehrte ſie mich auch, daß wenn die Bienen erſtarrt wa- ren, ſie wieder beleben. Sie rieb ſich die Hand mit Neſſeln und mit einem duftenden Kräutchen, welches man Katzenſtieg nennt; machte den großen Schieber des Bienenhauſes auf und ſteckte die Hand hinein. Da ſetz- ten ſie ſich alle auf die Hand, und wärmten ſich, das hab' ich oft auch mitgemacht; da ſteckte die kleine Hand und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; ſiehſt du, ſo verliert man ſeine Unſchuld und die hohen Gaben, die man durch ſie hat. Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/326
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/326>, abgerufen am 25.06.2024.