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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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die Geister Hand gelegt, in's unsterbliche Feuer gehal-
ten; -- und das war Musik; ob Du sie verstehst, oder
empfindest; ob Unruh' oder Ruhe Dich befällt; ob Du
jauchzest, oder tief trauerst; ob Dein Geist Freiheit ath-
met oder seine Fesseln empfindet: -- es ist immer die
Geisterbasis des Übermenschlichen in Dir. Wenn auch
weder die Terz noch die Quint Dir ein Licht aufstecken,
wenn sie nicht so gnädig sind, sich von Dir beschauen
und befühlen zu lassen, so ist es blos, weil Du durch-
gegangen bist durch ihre Heiligung, weil die Sinne, ge-
reift an ihrem Licht, schon wieder die goldnen Frucht-
körner zur Saat ausspreuen. Ja, Deine Lieder sind die
süßen Früchte, ihres Balsams voll. Balsam strömt in
Deiner dityrambischen Wollust! schon sind's nicht mehr
Töne -- es sind ganze Geschlechter in Deinen Gedichten,
die ihre Gewalt tragen und verbreiten. -- Ja, das glaub'
ich gewiß, daß Musik jede echte Kunsterscheinung bildet
und sich freut, in Dir so rein wiedergeboren zu seyn. --
Kümmere Dich nicht um die leeren Eierschalen, aus de-
nen die flückgewordenen Geister entschlüpft sind; -- nicht
um die Terz und die Quint' und um die ganze Baasen- und
Vetterschaft der Dur- und Molltonarten, -- Dir sind
sie selber verwandt; Du bist mitten unter ihnen. Das Kind
fragt nicht unter den Seinigen: wer sind diese, und wie

kommen

die Geiſter Hand gelegt, in's unſterbliche Feuer gehal-
ten; — und das war Muſik; ob Du ſie verſtehſt, oder
empfindeſt; ob Unruh' oder Ruhe Dich befällt; ob Du
jauchzeſt, oder tief trauerſt; ob Dein Geiſt Freiheit ath-
met oder ſeine Feſſeln empfindet: — es iſt immer die
Geiſterbaſis des Übermenſchlichen in Dir. Wenn auch
weder die Terz noch die Quint Dir ein Licht aufſtecken,
wenn ſie nicht ſo gnädig ſind, ſich von Dir beſchauen
und befühlen zu laſſen, ſo iſt es blos, weil Du durch-
gegangen biſt durch ihre Heiligung, weil die Sinne, ge-
reift an ihrem Licht, ſchon wieder die goldnen Frucht-
körner zur Saat ausſpreuen. Ja, Deine Lieder ſind die
ſüßen Früchte, ihres Balſams voll. Balſam ſtrömt in
Deiner dityrambiſchen Wolluſt! ſchon ſind's nicht mehr
Töne — es ſind ganze Geſchlechter in Deinen Gedichten,
die ihre Gewalt tragen und verbreiten. — Ja, das glaub'
ich gewiß, daß Muſik jede echte Kunſterſcheinung bildet
und ſich freut, in Dir ſo rein wiedergeboren zu ſeyn. —
Kümmere Dich nicht um die leeren Eierſchalen, aus de-
nen die flückgewordenen Geiſter entſchlüpft ſind; — nicht
um die Terz und die Quint' und um die ganze Baaſen- und
Vetterſchaft der Dur- und Molltonarten, — Dir ſind
ſie ſelber verwandt; Du biſt mitten unter ihnen. Das Kind
fragt nicht unter den Seinigen: wer ſind dieſe, und wie

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[288/0320] die Geiſter Hand gelegt, in's unſterbliche Feuer gehal- ten; — und das war Muſik; ob Du ſie verſtehſt, oder empfindeſt; ob Unruh' oder Ruhe Dich befällt; ob Du jauchzeſt, oder tief trauerſt; ob Dein Geiſt Freiheit ath- met oder ſeine Feſſeln empfindet: — es iſt immer die Geiſterbaſis des Übermenſchlichen in Dir. Wenn auch weder die Terz noch die Quint Dir ein Licht aufſtecken, wenn ſie nicht ſo gnädig ſind, ſich von Dir beſchauen und befühlen zu laſſen, ſo iſt es blos, weil Du durch- gegangen biſt durch ihre Heiligung, weil die Sinne, ge- reift an ihrem Licht, ſchon wieder die goldnen Frucht- körner zur Saat ausſpreuen. Ja, Deine Lieder ſind die ſüßen Früchte, ihres Balſams voll. Balſam ſtrömt in Deiner dityrambiſchen Wolluſt! ſchon ſind's nicht mehr Töne — es ſind ganze Geſchlechter in Deinen Gedichten, die ihre Gewalt tragen und verbreiten. — Ja, das glaub' ich gewiß, daß Muſik jede echte Kunſterſcheinung bildet und ſich freut, in Dir ſo rein wiedergeboren zu ſeyn. — Kümmere Dich nicht um die leeren Eierſchalen, aus de- nen die flückgewordenen Geiſter entſchlüpft ſind; — nicht um die Terz und die Quint' und um die ganze Baaſen- und Vetterſchaft der Dur- und Molltonarten, — Dir ſind ſie ſelber verwandt; Du biſt mitten unter ihnen. Das Kind fragt nicht unter den Seinigen: wer ſind dieſe, und wie kommen

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/320>, abgerufen am 24.11.2024.