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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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Menschen bleiben auch da nicht immer jung,
aber die lebhafte gesellige Bewegung nimmt
so wenig Rücksicht auf das Alter, wie die
Baukunst auf den Winter. Was sollte er,
der Chef aller Invaliden, die damals (wäh¬
rend des siebenjährigen Krieges) die Besa¬
tzung von Marseille und seiner Forts aus¬
machten, mit seinem hölzernen Beine auf
dem Balle, nicht einmal die Lieutenants
seines Regiments waren zum Tanze zu brau¬
chen. Hier am Kamine schien ihm dagegen
sein hölzernes Bein höchst brauchbar, weil
er den Basset nicht wecken mochte, um den
Vorrath grüner Olivenäste, den er sich zur
Seite hatte hinlegen lassen, allmählig in die
Flamme zu schieben. Ein solches Feuer hat
großen Reitz; die knisternde Flamme ist mit
dem grünen Laube wie durchflochten, halb¬
brennend, halbgrünend erscheinen die Blät¬
ter wie verliebte Herzen. Auch der alte Herr
dachte dabei an Jugendglanz und vertiefte
sich in den Constructionen jener Feuerwerke,
die er sonst schon für den Hof angeordnet
hatte und speculirte auf neue, noch mannig¬

Menſchen bleiben auch da nicht immer jung,
aber die lebhafte geſellige Bewegung nimmt
ſo wenig Rückſicht auf das Alter, wie die
Baukunſt auf den Winter. Was ſollte er,
der Chef aller Invaliden, die damals (wäh¬
rend des ſiebenjährigen Krieges) die Beſa¬
tzung von Marſeille und ſeiner Forts aus¬
machten, mit ſeinem hölzernen Beine auf
dem Balle, nicht einmal die Lieutenants
ſeines Regiments waren zum Tanze zu brau¬
chen. Hier am Kamine ſchien ihm dagegen
ſein hölzernes Bein höchſt brauchbar, weil
er den Baſſet nicht wecken mochte, um den
Vorrath grüner Olivenäſte, den er ſich zur
Seite hatte hinlegen laſſen, allmählig in die
Flamme zu ſchieben. Ein ſolches Feuer hat
großen Reitz; die kniſternde Flamme iſt mit
dem grünen Laube wie durchflochten, halb¬
brennend, halbgrünend erſcheinen die Blät¬
ter wie verliebte Herzen. Auch der alte Herr
dachte dabei an Jugendglanz und vertiefte
ſich in den Conſtructionen jener Feuerwerke,
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[76/0008] Menſchen bleiben auch da nicht immer jung, aber die lebhafte geſellige Bewegung nimmt ſo wenig Rückſicht auf das Alter, wie die Baukunſt auf den Winter. Was ſollte er, der Chef aller Invaliden, die damals (wäh¬ rend des ſiebenjährigen Krieges) die Beſa¬ tzung von Marſeille und ſeiner Forts aus¬ machten, mit ſeinem hölzernen Beine auf dem Balle, nicht einmal die Lieutenants ſeines Regiments waren zum Tanze zu brau¬ chen. Hier am Kamine ſchien ihm dagegen ſein hölzernes Bein höchſt brauchbar, weil er den Baſſet nicht wecken mochte, um den Vorrath grüner Olivenäſte, den er ſich zur Seite hatte hinlegen laſſen, allmählig in die Flamme zu ſchieben. Ein ſolches Feuer hat großen Reitz; die kniſternde Flamme iſt mit dem grünen Laube wie durchflochten, halb¬ brennend, halbgrünend erſcheinen die Blät¬ ter wie verliebte Herzen. Auch der alte Herr dachte dabei an Jugendglanz und vertiefte ſich in den Conſtructionen jener Feuerwerke, die er ſonſt ſchon für den Hof angeordnet hatte und ſpeculirte auf neue, noch mannig¬

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/8>, abgerufen am 29.03.2024.