Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

sich niederlassen. Rosalie bedauerte es und
zeigte ihm den Felsenwall, wo sie ihr Kind
noch einmal stillen und es dann in den
Mantel nieder legen wollte, dort möge es
gesucht werden, da liege es sicher aufbe¬
wahrt, wenn sie nicht zu ihm zurück kehren
könne. Vater Philip setzte sich betend hin¬
ter den Felsen und Rosalie ging mit festem
Schritt dem Steinwalle zu, wo sie ihr Kind
tränkte und segnete, es in ihren Mantel
wickelte und in Schlummer brachte. Da ver¬
ließ sie es mit einem Seufzer, der die Wolken
in ihr brach, daß blaue Hellung und das stär¬
kende Sonnenbild sie bestrahlten. Nun war
sie dem harten Manne sichtbar, als sie am
Steinwalle heraustrat, ein Licht schlug am
Thore auf, ein Druck, als ob sie umstür¬
zen müßte, ein Rollen in der Luft, ein Sau¬
sen, das sich damit mischte, zeigten ihr an:
daß der Tod nahe an ihr vorüber gegan¬
gen. Es wurde ihr aber nicht mehr bange,
eine Stimme sagte ihr innerlich: daß nichts
untergehen könne, was diesen Tag bestan¬
den und ihre Liebe zum Manne, zum Kinde

ſich niederlaſſen. Roſalie bedauerte es und
zeigte ihm den Felſenwall, wo ſie ihr Kind
noch einmal ſtillen und es dann in den
Mantel nieder legen wollte, dort möge es
geſucht werden, da liege es ſicher aufbe¬
wahrt, wenn ſie nicht zu ihm zurück kehren
könne. Vater Philip ſetzte ſich betend hin¬
ter den Felſen und Roſalie ging mit feſtem
Schritt dem Steinwalle zu, wo ſie ihr Kind
tränkte und ſegnete, es in ihren Mantel
wickelte und in Schlummer brachte. Da ver¬
ließ ſie es mit einem Seufzer, der die Wolken
in ihr brach, daß blaue Hellung und das ſtär¬
kende Sonnenbild ſie beſtrahlten. Nun war
ſie dem harten Manne ſichtbar, als ſie am
Steinwalle heraustrat, ein Licht ſchlug am
Thore auf, ein Druck, als ob ſie umſtür¬
zen müßte, ein Rollen in der Luft, ein Sau¬
ſen, das ſich damit miſchte, zeigten ihr an:
daß der Tod nahe an ihr vorüber gegan¬
gen. Es wurde ihr aber nicht mehr bange,
eine Stimme ſagte ihr innerlich: daß nichts
untergehen könne, was dieſen Tag beſtan¬
den und ihre Liebe zum Manne, zum Kinde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="117"/>
&#x017F;ich niederla&#x017F;&#x017F;en. Ro&#x017F;alie bedauerte es und<lb/>
zeigte ihm den Fel&#x017F;enwall, wo &#x017F;ie ihr Kind<lb/>
noch einmal &#x017F;tillen und es dann in den<lb/>
Mantel nieder legen wollte, dort möge es<lb/>
ge&#x017F;ucht werden, da liege es &#x017F;icher aufbe¬<lb/>
wahrt, wenn &#x017F;ie nicht zu ihm zurück kehren<lb/>
könne. Vater Philip &#x017F;etzte &#x017F;ich betend hin¬<lb/>
ter den Fel&#x017F;en und Ro&#x017F;alie ging mit fe&#x017F;tem<lb/>
Schritt dem Steinwalle zu, wo &#x017F;ie ihr Kind<lb/>
tränkte und &#x017F;egnete, es in ihren Mantel<lb/>
wickelte und in Schlummer brachte. Da ver¬<lb/>
ließ &#x017F;ie es mit einem Seufzer, der die Wolken<lb/>
in ihr brach, daß blaue Hellung und das &#x017F;tär¬<lb/>
kende Sonnenbild &#x017F;ie be&#x017F;trahlten. Nun war<lb/>
&#x017F;ie dem harten Manne &#x017F;ichtbar, als &#x017F;ie am<lb/>
Steinwalle heraustrat, ein Licht &#x017F;chlug am<lb/>
Thore auf, ein Druck, als ob &#x017F;ie um&#x017F;tür¬<lb/>
zen müßte, ein Rollen in der Luft, ein Sau¬<lb/>
&#x017F;en, <choice><sic>daß</sic><corr>das</corr></choice> &#x017F;ich damit mi&#x017F;chte, zeigten ihr an:<lb/>
daß der Tod nahe an ihr vorüber gegan¬<lb/>
gen. Es wurde ihr aber nicht mehr bange,<lb/>
eine Stimme &#x017F;agte ihr innerlich: daß nichts<lb/>
untergehen könne, was die&#x017F;en Tag be&#x017F;tan¬<lb/>
den und ihre Liebe zum Manne, zum Kinde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0049] ſich niederlaſſen. Roſalie bedauerte es und zeigte ihm den Felſenwall, wo ſie ihr Kind noch einmal ſtillen und es dann in den Mantel nieder legen wollte, dort möge es geſucht werden, da liege es ſicher aufbe¬ wahrt, wenn ſie nicht zu ihm zurück kehren könne. Vater Philip ſetzte ſich betend hin¬ ter den Felſen und Roſalie ging mit feſtem Schritt dem Steinwalle zu, wo ſie ihr Kind tränkte und ſegnete, es in ihren Mantel wickelte und in Schlummer brachte. Da ver¬ ließ ſie es mit einem Seufzer, der die Wolken in ihr brach, daß blaue Hellung und das ſtär¬ kende Sonnenbild ſie beſtrahlten. Nun war ſie dem harten Manne ſichtbar, als ſie am Steinwalle heraustrat, ein Licht ſchlug am Thore auf, ein Druck, als ob ſie umſtür¬ zen müßte, ein Rollen in der Luft, ein Sau¬ ſen, das ſich damit miſchte, zeigten ihr an: daß der Tod nahe an ihr vorüber gegan¬ gen. Es wurde ihr aber nicht mehr bange, eine Stimme ſagte ihr innerlich: daß nichts untergehen könne, was dieſen Tag beſtan¬ den und ihre Liebe zum Manne, zum Kinde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Achim von Arnims Erzählung „Der tolle Invalide au… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/49
Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/49>, abgerufen am 23.11.2024.