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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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Teufelsfabrik, so wünschte ich: sie liebten un¬
sre ganze Armee. -- Leider im Fluche mei¬
ner Mutter, seufzte die Frau. Meinen Va¬
ter habe ich nicht gekannt. Meine Mutter
sah viele Männer bei sich, denen ich auf¬
warten mußte, das war meine einzige Ar¬
beit. Ich war träumerig und achtete gar
nicht der freundlichen Reden dieser Männer,
meine Mutter schützte mich gegen ihre Zu¬
dringlichkeit. Der Krieg hatte diese Herren
meist zerstreut, die meine Mutter besuchten
und bei ihr Hazardspiele heimlich spielten;
wir lebten zu ihrem Aerger sehr einsam.
Freund und Feind waren ihr darum gleich
verhaßt, ich durfte keinem eine Gabe brin¬
gen, der verwundet oder hungrig vor dem
Hause vorüberging. Das that mir sehr leid
und einstmals war ich ganz allein und be¬
sorgte unser Mittagsessen, als viele Wagen
mit Verwundeten vorüberzogen, die ich an
der Sprache für Franzosen erkannte, die
von den Preußen gefangen worden. Im¬
mer wollte ich mit dem fertigen Essen zu
jenen hinunter, doch ich fürchtete die Mut¬

IV. [6]

Teufelsfabrik, ſo wünſchte ich: ſie liebten un¬
ſre ganze Armee. — Leider im Fluche mei¬
ner Mutter, ſeufzte die Frau. Meinen Va¬
ter habe ich nicht gekannt. Meine Mutter
ſah viele Männer bei ſich, denen ich auf¬
warten mußte, das war meine einzige Ar¬
beit. Ich war träumerig und achtete gar
nicht der freundlichen Reden dieſer Männer,
meine Mutter ſchützte mich gegen ihre Zu¬
dringlichkeit. Der Krieg hatte dieſe Herren
meiſt zerſtreut, die meine Mutter beſuchten
und bei ihr Hazardſpiele heimlich ſpielten;
wir lebten zu ihrem Aerger ſehr einſam.
Freund und Feind waren ihr darum gleich
verhaßt, ich durfte keinem eine Gabe brin¬
gen, der verwundet oder hungrig vor dem
Hauſe vorüberging. Das that mir ſehr leid
und einſtmals war ich ganz allein und be¬
ſorgte unſer Mittagseſſen, als viele Wagen
mit Verwundeten vorüberzogen, die ich an
der Sprache für Franzoſen erkannte, die
von den Preußen gefangen worden. Im¬
mer wollte ich mit dem fertigen Eſſen zu
jenen hinunter, doch ich fürchtete die Mut¬

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[81/0013] Teufelsfabrik, ſo wünſchte ich: ſie liebten un¬ ſre ganze Armee. — Leider im Fluche mei¬ ner Mutter, ſeufzte die Frau. Meinen Va¬ ter habe ich nicht gekannt. Meine Mutter ſah viele Männer bei ſich, denen ich auf¬ warten mußte, das war meine einzige Ar¬ beit. Ich war träumerig und achtete gar nicht der freundlichen Reden dieſer Männer, meine Mutter ſchützte mich gegen ihre Zu¬ dringlichkeit. Der Krieg hatte dieſe Herren meiſt zerſtreut, die meine Mutter beſuchten und bei ihr Hazardſpiele heimlich ſpielten; wir lebten zu ihrem Aerger ſehr einſam. Freund und Feind waren ihr darum gleich verhaßt, ich durfte keinem eine Gabe brin¬ gen, der verwundet oder hungrig vor dem Hauſe vorüberging. Das that mir ſehr leid und einſtmals war ich ganz allein und be¬ ſorgte unſer Mittagseſſen, als viele Wagen mit Verwundeten vorüberzogen, die ich an der Sprache für Franzoſen erkannte, die von den Preußen gefangen worden. Im¬ mer wollte ich mit dem fertigen Eſſen zu jenen hinunter, doch ich fürchtete die Mut¬ IV. [6]

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/13>, abgerufen am 24.04.2024.