Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Darauf sollst du gemahlet seyn,
Daß ich niemal vergesse dein.



Waldvögelein.

(Mündlich.)

Ich ging mit Lust durch einen grünen Wald,
Ich hört die Vöglein singen,
Sie sangen so jung, sie sangen so alt,
Die kleinen Waldvöglein in dem Wald,
Wie gern hört ich sie singen.
Nun sing, nun sing Frau Nachtigall,
Sing du's bei meinem Feinsliebchen:
"Komm schier, komm schier wenns finster ist,
"Wenn niemand auf der Gassen ist,
"Herein will ich dich lassen."
Der Tag vergieng, die Nacht brach an,
Er kam zu Feinslieb gegangen;
Er klopft so leis' wohl an den Ring,
Ei schläfst du, oder wachst du Kind,
Ich hab so lang gestanden.
Daß du so lang gestanden hast,
Ich hab noch nicht geschlafen;
Ich dacht als frey in meinem Sinn,
Wo ist mein Herzallerliebster hin,
Wo mag er so lang bleiben?

Darauf ſollſt du gemahlet ſeyn,
Daß ich niemal vergeſſe dein.



Waldvoͤgelein.

(Muͤndlich.)

Ich ging mit Luſt durch einen gruͤnen Wald,
Ich hoͤrt die Voͤglein ſingen,
Sie ſangen ſo jung, ſie ſangen ſo alt,
Die kleinen Waldvoͤglein in dem Wald,
Wie gern hoͤrt ich ſie ſingen.
Nun ſing, nun ſing Frau Nachtigall,
Sing du's bei meinem Feinsliebchen:
„Komm ſchier, komm ſchier wenns finſter iſt,
„Wenn niemand auf der Gaſſen iſt,
„Herein will ich dich laſſen.“
Der Tag vergieng, die Nacht brach an,
Er kam zu Feinslieb gegangen;
Er klopft ſo leiſ' wohl an den Ring,
Ei ſchlaͤfſt du, oder wachſt du Kind,
Ich hab ſo lang geſtanden.
Daß du ſo lang geſtanden haſt,
Ich hab noch nicht geſchlafen;
Ich dacht als frey in meinem Sinn,
Wo iſt mein Herzallerliebſter hin,
Wo mag er ſo lang bleiben?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="9">
              <pb facs="#f0093" n="83"/>
              <l>Darauf &#x017F;oll&#x017F;t du gemahlet &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Daß ich niemal verge&#x017F;&#x017F;e dein.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Waldvo&#x0364;gelein</hi>.</head><lb/>
          <p rendition="#c">(Mu&#x0364;ndlich.)</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">I</hi>ch ging mit Lu&#x017F;t durch einen gru&#x0364;nen Wald,</l><lb/>
              <l>Ich ho&#x0364;rt die Vo&#x0364;glein &#x017F;ingen,</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;angen &#x017F;o jung, &#x017F;ie &#x017F;angen &#x017F;o alt,</l><lb/>
              <l>Die kleinen Waldvo&#x0364;glein in dem Wald,</l><lb/>
              <l>Wie gern ho&#x0364;rt ich &#x017F;ie &#x017F;ingen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Nun &#x017F;ing, nun &#x017F;ing Frau Nachtigall,</l><lb/>
              <l>Sing du's bei meinem Feinsliebchen:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Komm &#x017F;chier, komm &#x017F;chier wenns fin&#x017F;ter i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wenn niemand auf der Ga&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Herein will ich dich la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Der Tag vergieng, die Nacht brach an,</l><lb/>
              <l>Er kam zu Feinslieb gegangen;</l><lb/>
              <l>Er klopft &#x017F;o lei&#x017F;' wohl an den Ring,</l><lb/>
              <l>Ei &#x017F;chla&#x0364;f&#x017F;t du, oder wach&#x017F;t du Kind,</l><lb/>
              <l>Ich hab &#x017F;o lang ge&#x017F;tanden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Daß du &#x017F;o lang ge&#x017F;tanden ha&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Ich hab noch nicht ge&#x017F;chlafen;</l><lb/>
              <l>Ich dacht als frey in meinem Sinn,</l><lb/>
              <l>Wo i&#x017F;t mein Herzallerlieb&#x017F;ter hin,</l><lb/>
              <l>Wo mag er &#x017F;o lang bleiben?</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0093] Darauf ſollſt du gemahlet ſeyn, Daß ich niemal vergeſſe dein. Waldvoͤgelein. (Muͤndlich.) Ich ging mit Luſt durch einen gruͤnen Wald, Ich hoͤrt die Voͤglein ſingen, Sie ſangen ſo jung, ſie ſangen ſo alt, Die kleinen Waldvoͤglein in dem Wald, Wie gern hoͤrt ich ſie ſingen. Nun ſing, nun ſing Frau Nachtigall, Sing du's bei meinem Feinsliebchen: „Komm ſchier, komm ſchier wenns finſter iſt, „Wenn niemand auf der Gaſſen iſt, „Herein will ich dich laſſen.“ Der Tag vergieng, die Nacht brach an, Er kam zu Feinslieb gegangen; Er klopft ſo leiſ' wohl an den Ring, Ei ſchlaͤfſt du, oder wachſt du Kind, Ich hab ſo lang geſtanden. Daß du ſo lang geſtanden haſt, Ich hab noch nicht geſchlafen; Ich dacht als frey in meinem Sinn, Wo iſt mein Herzallerliebſter hin, Wo mag er ſo lang bleiben?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/93
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/93>, abgerufen am 09.11.2024.