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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

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Und mußt also thun henken,
Im Korbe und dich kränken,
Bis du erlöset wirst.



Uebersichtigkeit.

(1560-1600.)

Schön wär ich gern, das bin ich nicht,
Fromm bin ich wohl, das hilft mir nicht;
Geld hilft mir wohl, das hab ich nicht,
Darum bin ich kein Buhler nicht.
Schönheit hilft mir wohl zur Buhlerey,
Schöne Gestalt macht stolz darbey;
Dich nicht verlaß auf schöne Gestalt,
Daß du nicht in Verfall kömmst bald.
Wenn ich schön wär, und hätt viel Geld,
Wär ich der beste in der Welt;
Dieweil ich aber solches nicht haben kann,
So muß ich im Elende bleiben stahn.
Frömmigkeit hat einen schlechten Platz,
Geld ist doch der Welt bester Schatz,
Frömmigkeit hilft nichts zur Bulerei,
Darum mir dasselbig verboten sey.
Hätte ich solches alles drei,
So wär mir geholfen frey;
Geldswerth hilft noch wohl,
Liebe ein jeder, was er lieben soll.

Und mußt alſo thun henken,
Im Korbe und dich kraͤnken,
Bis du erloͤſet wirſt.



Ueberſichtigkeit.

(1560-1600.)

Schoͤn waͤr ich gern, das bin ich nicht,
Fromm bin ich wohl, das hilft mir nicht;
Geld hilft mir wohl, das hab ich nicht,
Darum bin ich kein Buhler nicht.
Schoͤnheit hilft mir wohl zur Buhlerey,
Schoͤne Geſtalt macht ſtolz darbey;
Dich nicht verlaß auf ſchoͤne Geſtalt,
Daß du nicht in Verfall koͤmmſt bald.
Wenn ich ſchoͤn waͤr, und haͤtt viel Geld,
Waͤr ich der beſte in der Welt;
Dieweil ich aber ſolches nicht haben kann,
So muß ich im Elende bleiben ſtahn.
Froͤmmigkeit hat einen ſchlechten Platz,
Geld iſt doch der Welt beſter Schatz,
Froͤmmigkeit hilft nichts zur Bulerei,
Darum mir daſſelbig verboten ſey.
Haͤtte ich ſolches alles drei,
So waͤr mir geholfen frey;
Geldswerth hilft noch wohl,
Liebe ein jeder, was er lieben ſoll.

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[29/0039] Und mußt alſo thun henken, Im Korbe und dich kraͤnken, Bis du erloͤſet wirſt. Ueberſichtigkeit. (1560-1600.) Schoͤn waͤr ich gern, das bin ich nicht, Fromm bin ich wohl, das hilft mir nicht; Geld hilft mir wohl, das hab ich nicht, Darum bin ich kein Buhler nicht. Schoͤnheit hilft mir wohl zur Buhlerey, Schoͤne Geſtalt macht ſtolz darbey; Dich nicht verlaß auf ſchoͤne Geſtalt, Daß du nicht in Verfall koͤmmſt bald. Wenn ich ſchoͤn waͤr, und haͤtt viel Geld, Waͤr ich der beſte in der Welt; Dieweil ich aber ſolches nicht haben kann, So muß ich im Elende bleiben ſtahn. Froͤmmigkeit hat einen ſchlechten Platz, Geld iſt doch der Welt beſter Schatz, Froͤmmigkeit hilft nichts zur Bulerei, Darum mir daſſelbig verboten ſey. Haͤtte ich ſolches alles drei, So waͤr mir geholfen frey; Geldswerth hilft noch wohl, Liebe ein jeder, was er lieben ſoll.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/39>, abgerufen am 27.11.2024.