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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

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Ein Born da unter Steinen quillet,
Da hat Sankt Meinrad den Durst gestillet.

Nun lieber Bruder, nun ists genug,
Gen Rapperswyl die Fisch er trug;
Die fromm Wittib stand vor der Pforten,
Und grüßt die Münch mit frohen Worten.
Willkomm, willkomm ihr bleibt schier lang,
Die reißende Thier, die machten mich bang;
Die Fisch, die thät sie braten und sieden,
Die assen sie in Gottes Frieden.
Frau hört mich an durch Gott den Herrn! --
Die Wittib sprach: Das thu ich gern!
Ein armer Priester hat das Begehren,
Sein Leben im Finsterwald zu verzehren.
Nun sprecht ob hier ein Frommer leb,
Der ihm ein klein Almosen geb;
Sie sprach: Ich bin allein allhiere,
Ich werd ihm ein Almoseniere.
Da thät Sankt Meinrad ihr vertrauen,
Daß er sich wollt ein Zelle bauen;
Und kehrt nach Oberpollingen,
Thät noch ein Jahr da beten und singen.
Aber die Einsamkeit drängt ihn sehr,
Er hat kein ruhig Stund da mehr;
Und eilt nach Rapperswyl zu der Frauen,
Die ließ ihm da seine Zelle bauen.

Ein Born da unter Steinen quillet,
Da hat Sankt Meinrad den Durſt geſtillet.

Nun lieber Bruder, nun iſts genug,
Gen Rapperswyl die Fiſch er trug;
Die fromm Wittib ſtand vor der Pforten,
Und gruͤßt die Muͤnch mit frohen Worten.
Willkomm, willkomm ihr bleibt ſchier lang,
Die reißende Thier, die machten mich bang;
Die Fiſch, die thaͤt ſie braten und ſieden,
Die aſſen ſie in Gottes Frieden.
Frau hoͤrt mich an durch Gott den Herrn! —
Die Wittib ſprach: Das thu ich gern!
Ein armer Prieſter hat das Begehren,
Sein Leben im Finſterwald zu verzehren.
Nun ſprecht ob hier ein Frommer leb,
Der ihm ein klein Almoſen geb;
Sie ſprach: Ich bin allein allhiere,
Ich werd ihm ein Almoſeniere.
Da thaͤt Sankt Meinrad ihr vertrauen,
Daß er ſich wollt ein Zelle bauen;
Und kehrt nach Oberpollingen,
Thaͤt noch ein Jahr da beten und ſingen.
Aber die Einſamkeit draͤngt ihn ſehr,
Er hat kein ruhig Stund da mehr;
Und eilt nach Rapperswyl zu der Frauen,
Die ließ ihm da ſeine Zelle bauen.

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[172/0182] Ein Born da unter Steinen quillet, Da hat Sankt Meinrad den Durſt geſtillet. Nun lieber Bruder, nun iſts genug, Gen Rapperswyl die Fiſch er trug; Die fromm Wittib ſtand vor der Pforten, Und gruͤßt die Muͤnch mit frohen Worten. Willkomm, willkomm ihr bleibt ſchier lang, Die reißende Thier, die machten mich bang; Die Fiſch, die thaͤt ſie braten und ſieden, Die aſſen ſie in Gottes Frieden. Frau hoͤrt mich an durch Gott den Herrn! — Die Wittib ſprach: Das thu ich gern! Ein armer Prieſter hat das Begehren, Sein Leben im Finſterwald zu verzehren. Nun ſprecht ob hier ein Frommer leb, Der ihm ein klein Almoſen geb; Sie ſprach: Ich bin allein allhiere, Ich werd ihm ein Almoſeniere. Da thaͤt Sankt Meinrad ihr vertrauen, Daß er ſich wollt ein Zelle bauen; Und kehrt nach Oberpollingen, Thaͤt noch ein Jahr da beten und ſingen. Aber die Einſamkeit draͤngt ihn ſehr, Er hat kein ruhig Stund da mehr; Und eilt nach Rapperswyl zu der Frauen, Die ließ ihm da ſeine Zelle bauen.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/182>, abgerufen am 04.05.2024.