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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Und do das Kind gebohre war,
Die eine zu der andere sprach:
"Das Kind ist hübsch und minniglich
Es sieht dem König us Mailand glich."
Die Mutter an de Wände
Erloset de' Reden en Ende.
Sprung dür die Stege uf und ab,
Bis daß sie zus Mägdlis Vater kam.
"Hänt aister gesproche eui Tochter sey fromm,
Izt hätt sie gebohre en junge Sohn.
Und wär' die Tochter eu wie mi,
Die Red' muß uns verschwige sy;
Das Kind ist wüest und grüsiglich
Es sieht em leidige Teufel glich." --
Der Vater fiel in e grosse Zorn,
Er sprung wohl uf die Mure
Ruft alle sine Nachbure:
"Nachbure, liebi Nachbure mi,
Müend mir e Galge mure;
Dra mue' mi Tochter verfuhle.
Ich will sie lasse hänke,
Ihr' junge Soh vertränke." --
Der Brude an de Wände
Erloset de Reden en Ende.
Erloset von Anfang bis zum End
Bis ihm sini Aeugli Wasser gend.
"Ach! Schwester! Liebi Schwester mi,
Mir hände zornigs Väterli;
Er will di lasse hänke,
Din junge Soh vertränke." --
Es Mägdli sezt sie uf im Bett

Und do das Kind gebohre war,
Die eine zu der andere ſprach:
„Das Kind iſt huͤbſch und minniglich
Es ſieht dem Koͤnig us Mailand glich.“
Die Mutter an de Waͤnde
Erloſet de' Reden en Ende.
Sprung duͤr die Stege uf und ab,
Bis daß ſie zus Maͤgdlis Vater kam.
„Haͤnt aiſter geſproche eui Tochter ſey fromm,
Izt haͤtt ſie gebohre en junge Sohn.
Und waͤr' die Tochter eu wie mi,
Die Red' muß uns verſchwige ſy;
Das Kind iſt wuͤeſt und gruͤſiglich
Es ſieht em leidige Teufel glich.“ —
Der Vater fiel in e groſſe Zorn,
Er ſprung wohl uf die Mure
Ruft alle ſine Nachbure:
„Nachbure, liebi Nachbure mi,
Muͤend mir e Galge mure;
Dra mue' mi Tochter verfuhle.
Ich will ſie laſſe haͤnke,
Ihr' junge Soh vertraͤnke.“ —
Der Brude an de Waͤnde
Erloſet de Reden en Ende.
Erloſet von Anfang bis zum End
Bis ihm ſini Aeugli Waſſer gend.
„Ach! Schweſter! Liebi Schweſter mi,
Mir haͤnde zornigs Vaͤterli;
Er will di laſſe haͤnke,
Din junge Soh vertraͤnke.“ —
Es Maͤgdli ſezt ſie uf im Bett

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[286/0298] Und do das Kind gebohre war, Die eine zu der andere ſprach: „Das Kind iſt huͤbſch und minniglich Es ſieht dem Koͤnig us Mailand glich.“ Die Mutter an de Waͤnde Erloſet de' Reden en Ende. Sprung duͤr die Stege uf und ab, Bis daß ſie zus Maͤgdlis Vater kam. „Haͤnt aiſter geſproche eui Tochter ſey fromm, Izt haͤtt ſie gebohre en junge Sohn. Und waͤr' die Tochter eu wie mi, Die Red' muß uns verſchwige ſy; Das Kind iſt wuͤeſt und gruͤſiglich Es ſieht em leidige Teufel glich.“ — Der Vater fiel in e groſſe Zorn, Er ſprung wohl uf die Mure Ruft alle ſine Nachbure: „Nachbure, liebi Nachbure mi, Muͤend mir e Galge mure; Dra mue' mi Tochter verfuhle. Ich will ſie laſſe haͤnke, Ihr' junge Soh vertraͤnke.“ — Der Brude an de Waͤnde Erloſet de Reden en Ende. Erloſet von Anfang bis zum End Bis ihm ſini Aeugli Waſſer gend. „Ach! Schweſter! Liebi Schweſter mi, Mir haͤnde zornigs Vaͤterli; Er will di laſſe haͤnke, Din junge Soh vertraͤnke.“ — Es Maͤgdli ſezt ſie uf im Bett

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/298>, abgerufen am 22.11.2024.