Und das erhört die Königin, Die auf dem Bette lag. "O höret edler Herre, "Was ist des Wächters Klag, "Wie ihm die Nacht doch hätt gethan, "Ich fürcht, daß unsre Tochter, "Die hab nicht recht gethan."
Der König zu der Königinn sprach: "Zünd an ein Kerzlein Licht, "Und lug in alle Burge, "Ob ihr sie findet nicht, "Kannst du sie in dem Bett nicht sehn, "So wirds demselben Wächter "Wohl an sein Leben gehn."
Die Königinn war geschwinde, Sie zündt ein Kerzlein Licht, Sie lugt in alle Burgen, Sie fand die Tochter nicht. Sie thät ins Bette sehn, O reicher Christ vom Himmel Wie wird es heut ergehn.
Sie liessen den Wächter fahen, Sie legten ihn auf den Tisch, In Stücken thut man ihn schneiden, Gleich wie ein Salmenfisch. Und warum thäten sie ihm das, Daß sich ein andrer Wächter Sollt hüten desto bas.
Und das erhoͤrt die Koͤnigin, Die auf dem Bette lag. „O hoͤret edler Herre, „Was iſt des Waͤchters Klag, „Wie ihm die Nacht doch haͤtt gethan, „Ich fuͤrcht, daß unſre Tochter, „Die hab nicht recht gethan.“
Der Koͤnig zu der Koͤniginn ſprach: „Zuͤnd an ein Kerzlein Licht, „Und lug in alle Burge, „Ob ihr ſie findet nicht, „Kannſt du ſie in dem Bett nicht ſehn, „So wirds demſelben Waͤchter „Wohl an ſein Leben gehn.“
Die Koͤniginn war geſchwinde, Sie zuͤndt ein Kerzlein Licht, Sie lugt in alle Burgen, Sie fand die Tochter nicht. Sie thaͤt ins Bette ſehn, O reicher Chriſt vom Himmel Wie wird es heut ergehn.
Sie lieſſen den Waͤchter fahen, Sie legten ihn auf den Tiſch, In Stuͤcken thut man ihn ſchneiden, Gleich wie ein Salmenfiſch. Und warum thaͤten ſie ihm das, Daß ſich ein andrer Waͤchter Sollt huͤten deſto bas.
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Und das erhoͤrt die Koͤnigin,
Die auf dem Bette lag.
„O hoͤret edler Herre,
„Was iſt des Waͤchters Klag,
„Wie ihm die Nacht doch haͤtt gethan,
„Ich fuͤrcht, daß unſre Tochter,
„Die hab nicht recht gethan.“
Der Koͤnig zu der Koͤniginn ſprach:
„Zuͤnd an ein Kerzlein Licht,
„Und lug in alle Burge,
„Ob ihr ſie findet nicht,
„Kannſt du ſie in dem Bett nicht ſehn,
„So wirds demſelben Waͤchter
„Wohl an ſein Leben gehn.“
Die Koͤniginn war geſchwinde,
Sie zuͤndt ein Kerzlein Licht,
Sie lugt in alle Burgen,
Sie fand die Tochter nicht.
Sie thaͤt ins Bette ſehn,
O reicher Chriſt vom Himmel
Wie wird es heut ergehn.
Sie lieſſen den Waͤchter fahen,
Sie legten ihn auf den Tiſch,
In Stuͤcken thut man ihn ſchneiden,
Gleich wie ein Salmenfiſch.
Und warum thaͤten ſie ihm das,
Daß ſich ein andrer Waͤchter
Sollt huͤten deſto bas.
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/259>, abgerufen am 17.06.2024.
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