Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite

"Daran wird es geschrieben stehn."
Und als sie an die Kiste kam,

Da rannen ihr die Backen ab:
"Ach bringt mir Weck, ach bringt mir Wein,
"Das ist mein jüngstes Schwesterlein!"
"Ich will auch kein Weck, ich will auch kein Wein,
"Will nur ein kleines Lädelein,
"Darin ich will begraben seyn."


Geht dir's wohl, so denk an mich.

Mündlich.

Er.

Wenn ich geh vor mir auf Weg und Straßen,
Sehen mich schon alle Leute an,
Meine Augen gießen helles Wasser,
Weil ich gar nichts anders sprechen kann.
Ach wie oft sind wir beysamm gesessen
Manche liebe halbe stille Nacht,
Und den Schlaf den hatten wir vergessen,
Nur mit Liebe ward sie zugebracht.
Spielet auf ihr kleinen Musikanten,
Spielet auf ein neues neues Lied,
Und ihr Töne, liebliche Gesandten,
Sagt Ade, weil ich auf lange scheid.

„Daran wird es geſchrieben ſtehn.“
Und als ſie an die Kiſte kam,

Da rannen ihr die Backen ab:
„Ach bringt mir Weck, ach bringt mir Wein,
„Das iſt mein juͤngſtes Schweſterlein!“
„Ich will auch kein Weck, ich will auch kein Wein,
„Will nur ein kleines Laͤdelein,
„Darin ich will begraben ſeyn.“


Geht dir's wohl, ſo denk an mich.

Muͤndlich.

Er.

Wenn ich geh vor mir auf Weg und Straßen,
Sehen mich ſchon alle Leute an,
Meine Augen gießen helles Waſſer,
Weil ich gar nichts anders ſprechen kann.
Ach wie oft ſind wir beyſamm geſeſſen
Manche liebe halbe ſtille Nacht,
Und den Schlaf den hatten wir vergeſſen,
Nur mit Liebe ward ſie zugebracht.
Spielet auf ihr kleinen Muſikanten,
Spielet auf ein neues neues Lied,
Und ihr Toͤne, liebliche Geſandten,
Sagt Ade, weil ich auf lange ſcheid.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <pb facs="#f0093" n="84"/>
              <l>&#x201E;Daran wird es ge&#x017F;chrieben &#x017F;tehn.&#x201C;</l><lb/>
              <l>Und als &#x017F;ie an die Ki&#x017F;te kam,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Da rannen ihr die Backen ab:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach bringt mir Weck, ach bringt mir Wein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das i&#x017F;t mein ju&#x0364;ng&#x017F;tes Schwe&#x017F;terlein!&#x201C;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich will auch kein Weck, ich will auch kein Wein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Will nur ein kleines La&#x0364;delein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Darin ich will begraben &#x017F;eyn.&#x201C;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Geht dir's wohl, &#x017F;o denk an mich.</head><lb/>
          <p rendition="#c">Mu&#x0364;ndlich.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <head><hi rendition="#g">Er</hi>.</head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">W</hi>enn ich geh vor mir auf Weg und Straßen,</l><lb/>
              <l>Sehen mich &#x017F;chon alle Leute an,</l><lb/>
              <l>Meine Augen gießen helles Wa&#x017F;&#x017F;er,</l><lb/>
              <l>Weil ich gar nichts anders &#x017F;prechen kann.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ach wie oft &#x017F;ind wir bey&#x017F;amm ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Manche liebe halbe &#x017F;tille Nacht,</l><lb/>
              <l>Und den Schlaf den hatten wir verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Nur mit Liebe ward &#x017F;ie zugebracht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Spielet auf ihr kleinen Mu&#x017F;ikanten,</l><lb/>
              <l>Spielet auf ein neues neues Lied,</l><lb/>
              <l>Und ihr To&#x0364;ne, liebliche Ge&#x017F;andten,</l><lb/>
              <l>Sagt Ade, weil ich auf lange &#x017F;cheid.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0093] „Daran wird es geſchrieben ſtehn.“ Und als ſie an die Kiſte kam, Da rannen ihr die Backen ab: „Ach bringt mir Weck, ach bringt mir Wein, „Das iſt mein juͤngſtes Schweſterlein!“ „Ich will auch kein Weck, ich will auch kein Wein, „Will nur ein kleines Laͤdelein, „Darin ich will begraben ſeyn.“ Geht dir's wohl, ſo denk an mich. Muͤndlich. Er. Wenn ich geh vor mir auf Weg und Straßen, Sehen mich ſchon alle Leute an, Meine Augen gießen helles Waſſer, Weil ich gar nichts anders ſprechen kann. Ach wie oft ſind wir beyſamm geſeſſen Manche liebe halbe ſtille Nacht, Und den Schlaf den hatten wir vergeſſen, Nur mit Liebe ward ſie zugebracht. Spielet auf ihr kleinen Muſikanten, Spielet auf ein neues neues Lied, Und ihr Toͤne, liebliche Geſandten, Sagt Ade, weil ich auf lange ſcheid.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/93
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/93>, abgerufen am 23.11.2024.