Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
"Bist du willkommen liebs Töchterlein,
"Wie ist es dir ergangen,
"Daß dir dein Rock von vorne so klein,
"Und hinten viel zu lange?"
"Und wie es mir ergangen ist,
"Das darf ich Euch wohl sagen:
"Ich hab mit einem Edelherrn gespielt,
"Ein Kindlein muß ich tragen."
"Hast du mit einem Edelherrn gespielt,
"Das sollst du niemand sagen.
"Wenn du dein Kindlein zur Welt gebierst,
"Ins Wasser wollen wirs tragen."
"Ach nein, ach nein, liebe Mutter mein,
"Das wollen wir lassen bleiben.
"Wann ich das Kind zur Welt gebähr,
"Dem Vater will ich zuschreiben.
"Ach Mutter, liebe Mutter mein,
"Machet mir das Bettlein nicht zu klein,
"Darin will ich leiden Schmerz und Pein,
"Dazu den bittern Tod."
Und da es war um Mitternacht,
Dem Edelherrn träumt es schwer:
Als wenn sein herzallerliebster Schatz
Im Kindbett gestorben wär.

„Biſt du willkommen liebs Toͤchterlein,
„Wie iſt es dir ergangen,
„Daß dir dein Rock von vorne ſo klein,
„Und hinten viel zu lange?“
„Und wie es mir ergangen iſt,
„Das darf ich Euch wohl ſagen:
„Ich hab mit einem Edelherrn geſpielt,
„Ein Kindlein muß ich tragen.“
„Haſt du mit einem Edelherrn geſpielt,
„Das ſollſt du niemand ſagen.
„Wenn du dein Kindlein zur Welt gebierſt,
„Ins Waſſer wollen wirs tragen.“
„Ach nein, ach nein, liebe Mutter mein,
„Das wollen wir laſſen bleiben.
„Wann ich das Kind zur Welt gebaͤhr,
„Dem Vater will ich zuſchreiben.
„Ach Mutter, liebe Mutter mein,
„Machet mir das Bettlein nicht zu klein,
„Darin will ich leiden Schmerz und Pein,
„Dazu den bittern Tod.“
Und da es war um Mitternacht,
Dem Edelherrn traͤumt es ſchwer:
Als wenn ſein herzallerliebſter Schatz
Im Kindbett geſtorben waͤr.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0060" n="51"/>
            <lg n="10">
              <l>&#x201E;Bi&#x017F;t du willkommen liebs To&#x0364;chterlein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wie i&#x017F;t es dir ergangen,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>&#x201E;Daß dir dein Rock von vorne &#x017F;o klein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und hinten viel zu lange?&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>&#x201E;Und wie es mir ergangen i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das darf ich Euch wohl &#x017F;agen:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>&#x201E;Ich hab mit einem Edelherrn ge&#x017F;pielt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ein Kindlein muß ich tragen.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>&#x201E;Ha&#x017F;t du mit einem Edelherrn ge&#x017F;pielt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das &#x017F;oll&#x017F;t du niemand &#x017F;agen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>&#x201E;Wenn du dein Kindlein zur Welt gebier&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ins Wa&#x017F;&#x017F;er wollen wirs tragen.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>&#x201E;Ach nein, ach nein, liebe Mutter mein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das wollen wir la&#x017F;&#x017F;en bleiben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l>&#x201E;Wann ich das Kind zur Welt geba&#x0364;hr,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dem Vater will ich zu&#x017F;chreiben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>&#x201E;Ach Mutter, liebe Mutter mein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Machet mir das Bettlein nicht zu klein,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>&#x201E;Darin will ich leiden Schmerz und Pein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dazu den bittern Tod.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="20">
              <l>Und da es war um Mitternacht,</l><lb/>
              <l>Dem Edelherrn tra&#x0364;umt es &#x017F;chwer:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="21">
              <l>Als wenn &#x017F;ein herzallerlieb&#x017F;ter Schatz</l><lb/>
              <l>Im Kindbett ge&#x017F;torben wa&#x0364;r.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0060] „Biſt du willkommen liebs Toͤchterlein, „Wie iſt es dir ergangen, „Daß dir dein Rock von vorne ſo klein, „Und hinten viel zu lange?“ „Und wie es mir ergangen iſt, „Das darf ich Euch wohl ſagen: „Ich hab mit einem Edelherrn geſpielt, „Ein Kindlein muß ich tragen.“ „Haſt du mit einem Edelherrn geſpielt, „Das ſollſt du niemand ſagen. „Wenn du dein Kindlein zur Welt gebierſt, „Ins Waſſer wollen wirs tragen.“ „Ach nein, ach nein, liebe Mutter mein, „Das wollen wir laſſen bleiben. „Wann ich das Kind zur Welt gebaͤhr, „Dem Vater will ich zuſchreiben. „Ach Mutter, liebe Mutter mein, „Machet mir das Bettlein nicht zu klein, „Darin will ich leiden Schmerz und Pein, „Dazu den bittern Tod.“ Und da es war um Mitternacht, Dem Edelherrn traͤumt es ſchwer: Als wenn ſein herzallerliebſter Schatz Im Kindbett geſtorben waͤr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/60
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/60>, abgerufen am 25.11.2024.