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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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verwischen, und mehr wie einmal dachte er: "Hätt' ich doch das
Hochzeitsg'spiel lieber gar nicht mitgemacht! Das wird noch ein
Stück Arbeit kosten, bis ich wieder so ruhig bin, wie ich es vor
dem Fest war!" Und glaubte er endlich mit den Gedanken bei
seiner Beschäftigung zu sein, so rief ihn die gichtkranke Mutter
an, die in der Morgensonne vor dem Hause saß, und frug dies
und das über das Fest, ach! und im Flug waren die Gedanken
wieder über dem See. Armer Franz! wie du gestern für
Viele ein Gegenstand des Neides warst, so erscheinst du uns
heute recht bedauerungswürdig. -- Wie stand es denn aber um
die Resl? Ja, die ist ein Mädel, dem man die Gedanken nicht
so von der Stirne weglesen kann. So ist denn auch heute nicht
zu ergründen, was in ihrem Jnnern vorgeht, sie ist fleißig wie
sonst, und nichts fällt uns an ihr auf.

Dagegen ist aus Seppel's Wesen unverkennbar Verdruß,
Eifersucht und Aufregung zu entnehmen. Noch heute will er
ins Reine kommen, ob sich Franz nicht zudringlich benommen
hat, und wie es zwischen der Resl und ihm selber eigentlich
steht. Während der Nachmittagsruhe ging er hinüber, fand auch
den Adler und die Resl, wie er es wünschte, beisammen, und
sagte offen heraus, was er befürchte. Die Resl, die gegen ihn
nicht anders war als gewöhnlich, versicherte, daß zwischen dem
Franz und ihr durchaus nichts bestehe, und daß sich Franz sehr
bescheiden benommen und kein Wort von Liebe zu ihr gesprochen
habe. Sie seien also heute so unabhängig von einander wie
vor dem Fest. -- "Nun Resl", sagte Seppl, "dann mach' ein-
mal Ernst und werde mein Weib. Alles fragt im Dorf,
warum wir noch immer nicht Hochzeit halten, und du weißt
ja, Resl, daß ich's schon lange gewünscht hab'."

"Joseph", erwiederte die Resl etwas erregt, "wenn ich
sag', daß mir der Franz nichts will, und daß du bei mir mehr
giltst als andere Burschen, so heißt das noch nicht, daß ich Lust
zum Heirathen hab'. Jch bleib' gern noch beim Vater, und
bitt' dich deshalb, daß du mich nicht drängst, denn das ändert
schon gar nichts."
Gekränkt stand Seppl auf und sagte: "Von mir sollst du

verwiſchen, und mehr wie einmal dachte er: „Hätt’ ich doch das
Hochzeitsg’ſpiel lieber gar nicht mitgemacht! Das wird noch ein
Stück Arbeit koſten, bis ich wieder ſo ruhig bin, wie ich es vor
dem Feſt war!“ Und glaubte er endlich mit den Gedanken bei
ſeiner Beſchäftigung zu ſein, ſo rief ihn die gichtkranke Mutter
an, die in der Morgenſonne vor dem Hauſe ſaß, und frug dies
und das über das Feſt, ach! und im Flug waren die Gedanken
wieder über dem See. Armer Franz! wie du geſtern für
Viele ein Gegenſtand des Neides warſt, ſo erſcheinſt du uns
heute recht bedauerungswürdig. — Wie ſtand es denn aber um
die Resl? Ja, die iſt ein Mädel, dem man die Gedanken nicht
ſo von der Stirne wegleſen kann. So iſt denn auch heute nicht
zu ergründen, was in ihrem Jnnern vorgeht, ſie iſt fleißig wie
ſonſt, und nichts fällt uns an ihr auf.

Dagegen iſt aus Seppel’s Weſen unverkennbar Verdruß,
Eiferſucht und Aufregung zu entnehmen. Noch heute will er
ins Reine kommen, ob ſich Franz nicht zudringlich benommen
hat, und wie es zwiſchen der Resl und ihm ſelber eigentlich
ſteht. Während der Nachmittagsruhe ging er hinüber, fand auch
den Adler und die Resl, wie er es wünſchte, beiſammen, und
ſagte offen heraus, was er befürchte. Die Resl, die gegen ihn
nicht anders war als gewöhnlich, verſicherte, daß zwiſchen dem
Franz und ihr durchaus nichts beſtehe, und daß ſich Franz ſehr
beſcheiden benommen und kein Wort von Liebe zu ihr geſprochen
habe. Sie ſeien alſo heute ſo unabhängig von einander wie
vor dem Feſt. — „Nun Resl“, ſagte Seppl, „dann mach’ ein-
mal Ernſt und werde mein Weib. Alles fragt im Dorf,
warum wir noch immer nicht Hochzeit halten, und du weißt
ja, Resl, daß ich’s ſchon lange gewünſcht hab’.“

„Joſeph“, erwiederte die Resl etwas erregt, „wenn ich
ſag’, daß mir der Franz nichts will, und daß du bei mir mehr
giltſt als andere Burſchen, ſo heißt das noch nicht, daß ich Luſt
zum Heirathen hab’. Jch bleib’ gern noch beim Vater, und
bitt’ dich deshalb, daß du mich nicht drängſt, denn das ändert
ſchon gar nichts.“
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/36>, abgerufen am 29.03.2024.