Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches Glück zu nennen, denn schon oft brachte die Schönheit einer Tochter mehr Kummer als Glück in's Haus; aber sie war auch, wie wir schon hörten, sittsam und fromm, und dabei arbeitsam bis zum späten Abend. Jhr Vater hielt so viele Knechte und Mägde, daß sie sich nicht so viel zu plagen gebraucht hätte, je- doch sie half ihnen bei jeder Arbeit, auf dem Felde und im Stall, was das Gesinde nicht wenig aneiferte. Am Werktag trug sie einen dunkeln Rock und das einfache schwarze Mieder, ohne allen Schmuck, aber dafür waren Schürze, Brusttüchel und die kurzen Hemdärmel, welche den vollen Oberarm umschlossen, weiß wie Schnee, was die frischen Farben des fein geschnittenen Gesichtes noch erhöhte. Jhr Gang war leicht, ihre Hand, trotz aller Arbeit, klein, und ihre Gestalt zeichnete sich unter den übrigen Bauernmädchen als schlank und zierlich aus. -- Am Sonntag Morgen, wenn die Glocken zu Amt und Predigt läu- ten, ja, dann ist freilich des Adlerbauers Töchterlein ganz anders gekleidet. Rock und Jacke sind von geblümtem Wollstoff und an den höchsten Festtagen von Seide. Das schwarze Mieder ist über der Brust mit einer schweren, silbernen Kette verschnürt, rückwärts ist an demselben in Spitzform ein bunt seidenes Brust- tuch befestigt, vorne ist dasselbe glatt hineingestrichen, und um den spitzen schwarzen Filzhut mit breiter Krämpe ist eine starke Schnur von Gold mit herabhängenden Quasten geschlungen. -- Tritt sie so mit ihrem Vater aus der Hausthüre, so richten sich Aller Augen auf sie, und nicht nur die Burschen haschen nach einem "Grüß Gott" von ihrem Mund, auch die Frauen- leut' haben sie alle gern und klopfen ihr hin und wieder mit den Worten auf die Schulter: "Nun, Resl, hast du wieder fleißig geschafft die ganze Woch'?" worauf der Vater mit zu- friedenem Schmunzeln erwiedert: "Ja, ja, da fehlt nichts," und wenn sie, was ihr Freude macht, bei einem alten, gebrechlichen Mütterchen stehen bleibt, und mit ihm freundlich plaudert, da mag schon manch stolzer Bursche gedacht haben: "ach, könnt ich nur einen meiner Finger in die welke Hand der Alten legen, damit auch mich die schöne Resl berührt, wenn sie mit einem
Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches Glück zu nennen, denn ſchon oft brachte die Schönheit einer Tochter mehr Kummer als Glück in’s Haus; aber ſie war auch, wie wir ſchon hörten, ſittſam und fromm, und dabei arbeitſam bis zum ſpäten Abend. Jhr Vater hielt ſo viele Knechte und Mägde, daß ſie ſich nicht ſo viel zu plagen gebraucht hätte, je- doch ſie half ihnen bei jeder Arbeit, auf dem Felde und im Stall, was das Geſinde nicht wenig aneiferte. Am Werktag trug ſie einen dunkeln Rock und das einfache ſchwarze Mieder, ohne allen Schmuck, aber dafür waren Schürze, Bruſttüchel und die kurzen Hemdärmel, welche den vollen Oberarm umſchloſſen, weiß wie Schnee, was die friſchen Farben des fein geſchnittenen Geſichtes noch erhöhte. Jhr Gang war leicht, ihre Hand, trotz aller Arbeit, klein, und ihre Geſtalt zeichnete ſich unter den übrigen Bauernmädchen als ſchlank und zierlich aus. — Am Sonntag Morgen, wenn die Glocken zu Amt und Predigt läu- ten, ja, dann iſt freilich des Adlerbauers Töchterlein ganz anders gekleidet. Rock und Jacke ſind von geblümtem Wollſtoff und an den höchſten Feſttagen von Seide. Das ſchwarze Mieder iſt über der Bruſt mit einer ſchweren, ſilbernen Kette verſchnürt, rückwärts iſt an demſelben in Spitzform ein bunt ſeidenes Bruſt- tuch befeſtigt, vorne iſt dasſelbe glatt hineingeſtrichen, und um den ſpitzen ſchwarzen Filzhut mit breiter Krämpe iſt eine ſtarke Schnur von Gold mit herabhängenden Quaſten geſchlungen. — Tritt ſie ſo mit ihrem Vater aus der Hausthüre, ſo richten ſich Aller Augen auf ſie, und nicht nur die Burſchen haſchen nach einem „Grüß Gott“ von ihrem Mund, auch die Frauen- leut’ haben ſie alle gern und klopfen ihr hin und wieder mit den Worten auf die Schulter: „Nun, Resl, haſt du wieder fleißig geſchafft die ganze Woch’?“ worauf der Vater mit zu- friedenem Schmunzeln erwiedert: „Ja, ja, da fehlt nichts,“ und wenn ſie, was ihr Freude macht, bei einem alten, gebrechlichen Mütterchen ſtehen bleibt, und mit ihm freundlich plaudert, da mag ſchon manch ſtolzer Burſche gedacht haben: „ach, könnt ich nur einen meiner Finger in die welke Hand der Alten legen, damit auch mich die ſchöne Resl berührt, wenn ſie mit einem
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Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches
Glück zu nennen, denn ſchon oft brachte die Schönheit einer
Tochter mehr Kummer als Glück in’s Haus; aber ſie war auch,
wie wir ſchon hörten, ſittſam und fromm, und dabei arbeitſam
bis zum ſpäten Abend. Jhr Vater hielt ſo viele Knechte und
Mägde, daß ſie ſich nicht ſo viel zu plagen gebraucht hätte, je-
doch ſie half ihnen bei jeder Arbeit, auf dem Felde und im
Stall, was das Geſinde nicht wenig aneiferte. Am Werktag
trug ſie einen dunkeln Rock und das einfache ſchwarze Mieder,
ohne allen Schmuck, aber dafür waren Schürze, Bruſttüchel und
die kurzen Hemdärmel, welche den vollen Oberarm umſchloſſen,
weiß wie Schnee, was die friſchen Farben des fein geſchnittenen
Geſichtes noch erhöhte. Jhr Gang war leicht, ihre Hand, trotz
aller Arbeit, klein, und ihre Geſtalt zeichnete ſich unter den
übrigen Bauernmädchen als ſchlank und zierlich aus. — Am
Sonntag Morgen, wenn die Glocken zu Amt und Predigt läu-
ten, ja, dann iſt freilich des Adlerbauers Töchterlein ganz anders
gekleidet. Rock und Jacke ſind von geblümtem Wollſtoff und
an den höchſten Feſttagen von Seide. Das ſchwarze Mieder
iſt über der Bruſt mit einer ſchweren, ſilbernen Kette verſchnürt,
rückwärts iſt an demſelben in Spitzform ein bunt ſeidenes Bruſt-
tuch befeſtigt, vorne iſt dasſelbe glatt hineingeſtrichen, und um
den ſpitzen ſchwarzen Filzhut mit breiter Krämpe iſt eine ſtarke
Schnur von Gold mit herabhängenden Quaſten geſchlungen. —
Tritt ſie ſo mit ihrem Vater aus der Hausthüre, ſo richten
ſich Aller Augen auf ſie, und nicht nur die Burſchen haſchen
nach einem „Grüß Gott“ von ihrem Mund, auch die Frauen-
leut’ haben ſie alle gern und klopfen ihr hin und wieder mit
den Worten auf die Schulter: „Nun, Resl, haſt du wieder
fleißig geſchafft die ganze Woch’?“ worauf der Vater mit zu-
friedenem Schmunzeln erwiedert: „Ja, ja, da fehlt nichts,“ und
wenn ſie, was ihr Freude macht, bei einem alten, gebrechlichen
Mütterchen ſtehen bleibt, und mit ihm freundlich plaudert, da
mag ſchon manch ſtolzer Burſche gedacht haben: „ach, könnt ich
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(2020-06-17T10:39:18Z)
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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/12>, abgerufen am 08.07.2024.
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