Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0012"/> Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches<lb/> Glück zu nennen, denn ſchon oft brachte die Schönheit einer<lb/> Tochter mehr Kummer als Glück in’s Haus; aber ſie war auch,<lb/> wie wir ſchon hörten, ſittſam und fromm, und dabei arbeitſam<lb/> bis zum ſpäten Abend. Jhr Vater hielt ſo viele Knechte und<lb/> Mägde, daß ſie ſich nicht ſo viel zu plagen gebraucht hätte, je-<lb/> doch ſie half ihnen bei jeder Arbeit, auf dem Felde und im<lb/> Stall, was das Geſinde nicht wenig aneiferte. Am Werktag<lb/><choice><sic>trng</sic><corr>trug</corr></choice> ſie einen dunkeln Rock und das einfache ſchwarze Mieder,<lb/> ohne allen Schmuck, aber dafür waren Schürze, Bruſttüchel und<lb/> die kurzen Hemdärmel, welche den vollen Oberarm umſchloſſen,<lb/> weiß wie Schnee, was die friſchen Farben des fein geſchnittenen<lb/> Geſichtes noch erhöhte. Jhr Gang war leicht, ihre Hand, trotz<lb/> aller Arbeit, klein, und ihre Geſtalt zeichnete ſich unter den<lb/> übrigen Bauernmädchen als ſchlank und zierlich aus. — Am<lb/> Sonntag Morgen, wenn die Glocken zu Amt und Predigt läu-<lb/> ten, ja, dann iſt freilich des Adlerbauers Töchterlein ganz anders<lb/> gekleidet. Rock und Jacke ſind von geblümtem Wollſtoff und<lb/> an den höchſten Feſttagen von Seide. Das ſchwarze Mieder<lb/> iſt über der Bruſt mit einer ſchweren, ſilbernen Kette verſchnürt,<lb/> rückwärts iſt an demſelben in Spitzform ein bunt ſeidenes Bruſt-<lb/> tuch befeſtigt, vorne iſt dasſelbe glatt hineingeſtrichen, und um<lb/> den ſpitzen ſchwarzen Filzhut mit breiter Krämpe iſt eine ſtarke<lb/> Schnur von Gold mit herabhängenden Quaſten geſchlungen. —<lb/> Tritt ſie ſo mit ihrem Vater aus der Hausthüre, ſo richten<lb/> ſich Aller Augen auf ſie, und nicht nur die Burſchen haſchen<lb/> nach einem „Grüß Gott“ von ihrem Mund, auch die Frauen-<lb/> leut’ haben ſie alle gern und klopfen ihr hin und wieder mit<lb/> den Worten auf die Schulter: „Nun, Resl, haſt du wieder<lb/> fleißig geſchafft die ganze Woch’?“ worauf der Vater mit zu-<lb/> friedenem Schmunzeln erwiedert: „Ja, ja, da fehlt nichts,“ und<lb/> wenn ſie, was ihr Freude macht, bei einem alten, gebrechlichen<lb/> Mütterchen ſtehen bleibt, und mit ihm freundlich plaudert, da<lb/> mag ſchon manch ſtolzer Burſche gedacht haben: „ach, könnt ich<lb/> nur einen meiner Finger in die welke Hand der Alten legen,<lb/> damit auch mich die ſchöne Resl berührt, wenn ſie mit einem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Mädel weit und breit war, das allein wäre noch ein fragliches
Glück zu nennen, denn ſchon oft brachte die Schönheit einer
Tochter mehr Kummer als Glück in’s Haus; aber ſie war auch,
wie wir ſchon hörten, ſittſam und fromm, und dabei arbeitſam
bis zum ſpäten Abend. Jhr Vater hielt ſo viele Knechte und
Mägde, daß ſie ſich nicht ſo viel zu plagen gebraucht hätte, je-
doch ſie half ihnen bei jeder Arbeit, auf dem Felde und im
Stall, was das Geſinde nicht wenig aneiferte. Am Werktag
trug ſie einen dunkeln Rock und das einfache ſchwarze Mieder,
ohne allen Schmuck, aber dafür waren Schürze, Bruſttüchel und
die kurzen Hemdärmel, welche den vollen Oberarm umſchloſſen,
weiß wie Schnee, was die friſchen Farben des fein geſchnittenen
Geſichtes noch erhöhte. Jhr Gang war leicht, ihre Hand, trotz
aller Arbeit, klein, und ihre Geſtalt zeichnete ſich unter den
übrigen Bauernmädchen als ſchlank und zierlich aus. — Am
Sonntag Morgen, wenn die Glocken zu Amt und Predigt läu-
ten, ja, dann iſt freilich des Adlerbauers Töchterlein ganz anders
gekleidet. Rock und Jacke ſind von geblümtem Wollſtoff und
an den höchſten Feſttagen von Seide. Das ſchwarze Mieder
iſt über der Bruſt mit einer ſchweren, ſilbernen Kette verſchnürt,
rückwärts iſt an demſelben in Spitzform ein bunt ſeidenes Bruſt-
tuch befeſtigt, vorne iſt dasſelbe glatt hineingeſtrichen, und um
den ſpitzen ſchwarzen Filzhut mit breiter Krämpe iſt eine ſtarke
Schnur von Gold mit herabhängenden Quaſten geſchlungen. —
Tritt ſie ſo mit ihrem Vater aus der Hausthüre, ſo richten
ſich Aller Augen auf ſie, und nicht nur die Burſchen haſchen
nach einem „Grüß Gott“ von ihrem Mund, auch die Frauen-
leut’ haben ſie alle gern und klopfen ihr hin und wieder mit
den Worten auf die Schulter: „Nun, Resl, haſt du wieder
fleißig geſchafft die ganze Woch’?“ worauf der Vater mit zu-
friedenem Schmunzeln erwiedert: „Ja, ja, da fehlt nichts,“ und
wenn ſie, was ihr Freude macht, bei einem alten, gebrechlichen
Mütterchen ſtehen bleibt, und mit ihm freundlich plaudert, da
mag ſchon manch ſtolzer Burſche gedacht haben: „ach, könnt ich
nur einen meiner Finger in die welke Hand der Alten legen,
damit auch mich die ſchöne Resl berührt, wenn ſie mit einem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-06-17T10:39:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-06-17T10:39:18Z)
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |