Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Richard Kralik. Ricciolella rief den Vöglein: "Tanzt mit mir doch, liebe Vöglein! Seid ihr schon müde, die Flügel zu heben, Ueber die Erde zu flattern, zu schweben?" "Schilt nicht, schilt nicht, Ricciolella! Tanz für dich die Tarantella. Tanzten schon den ganzen Tag, Daß es uns nimmer freuen mag." Ricciolella rief den Bäumen: "Wachet auf, aus euren Träumen! Laßt vom Wind euch wiegend neigen, Tanzt mit mir den lustigen Reigen." Durch die Bäume ging ein Rauschen; Ricciolella mußte lauschen: "Stille, stille, Ricciolella! Weck' uns nicht zur Tarantella." "Nun so komm, du lieber Wind, Spiel um meine Haare geschwind. Bist doch ein lustiger Tanzgesell, Drehst dich im wechselnden Wirbel so schnell." Und der Wind über die Haide schnob, Blies ihr grad in's Gesicht so grob: "Ha, ich bin ein freier Mann! Fang dein Spiel mit Andern an." Ricciolella nahm die Flucht, Floh bis hin zur Bergesschlucht. "Berg, komm doch herab zur Wiese, Lerne tanzen, plumper Riese!" Zornig begann der Berg sich zu rütteln, Drohend mit dem Kopf zu schütteln; Grollte grimmig fort noch lange. Ricciolella wurde bange. Ricciolella kam zum Meere, Ob ihm Lust zum Tanze wäre; "Meer, du kräuselst Well auf Welle; Tanz mit mir die Tarantelle!" Richard Kralik. Ricciolella rief den Vöglein: „Tanzt mit mir doch, liebe Vöglein! Seid ihr ſchon müde, die Flügel zu heben, Ueber die Erde zu flattern, zu ſchweben?“ „Schilt nicht, ſchilt nicht, Ricciolella! Tanz für dich die Tarantella. Tanzten ſchon den ganzen Tag, Daß es uns nimmer freuen mag.“ Ricciolella rief den Bäumen: „Wachet auf, aus euren Träumen! Laßt vom Wind euch wiegend neigen, Tanzt mit mir den luſtigen Reigen.“ Durch die Bäume ging ein Rauſchen; Ricciolella mußte lauſchen: „Stille, ſtille, Ricciolella! Weck’ uns nicht zur Tarantella.“ „Nun ſo komm, du lieber Wind, Spiel um meine Haare geſchwind. Biſt doch ein luſtiger Tanzgeſell, Drehſt dich im wechſelnden Wirbel ſo ſchnell.“ Und der Wind über die Haide ſchnob, Blies ihr grad in’s Geſicht ſo grob: „Ha, ich bin ein freier Mann! Fang dein Spiel mit Andern an.“ Ricciolella nahm die Flucht, Floh bis hin zur Bergesſchlucht. „Berg, komm doch herab zur Wieſe, Lerne tanzen, plumper Rieſe!“ Zornig begann der Berg ſich zu rütteln, Drohend mit dem Kopf zu ſchütteln; Grollte grimmig fort noch lange. Ricciolella wurde bange. Ricciolella kam zum Meere, Ob ihm Luſt zum Tanze wäre; „Meer, du kräuſelſt Well auf Welle; Tanz mit mir die Tarantelle!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0236" n="218"/> <fw place="top" type="header">Richard Kralik.</fw><lb/> <lg n="4"> <l>Ricciolella rief den Vöglein:</l><lb/> <l>„Tanzt mit mir doch, liebe Vöglein!</l><lb/> <l>Seid ihr ſchon müde, die Flügel zu heben,</l><lb/> <l>Ueber die Erde zu flattern, zu ſchweben?“</l><lb/> <l>„Schilt nicht, ſchilt nicht, Ricciolella!</l><lb/> <l>Tanz für dich die Tarantella.</l><lb/> <l>Tanzten ſchon den ganzen Tag,</l><lb/> <l>Daß es uns nimmer freuen mag.“</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ricciolella rief den Bäumen:</l><lb/> <l>„Wachet auf, aus euren Träumen!</l><lb/> <l>Laßt vom Wind euch wiegend neigen,</l><lb/> <l>Tanzt mit mir den luſtigen Reigen.“</l><lb/> <l>Durch die Bäume ging ein Rauſchen;</l><lb/> <l>Ricciolella mußte lauſchen:</l><lb/> <l>„Stille, ſtille, Ricciolella!</l><lb/> <l>Weck’ uns nicht zur Tarantella.“</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>„Nun ſo komm, du lieber Wind,</l><lb/> <l>Spiel um meine Haare geſchwind.</l><lb/> <l>Biſt doch ein luſtiger Tanzgeſell,</l><lb/> <l>Drehſt dich im wechſelnden Wirbel ſo ſchnell.“</l><lb/> <l>Und der Wind über die Haide ſchnob,</l><lb/> <l>Blies ihr grad in’s Geſicht ſo grob:</l><lb/> <l>„Ha, ich bin ein freier Mann!</l><lb/> <l>Fang dein Spiel mit Andern an.“</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ricciolella nahm die Flucht,</l><lb/> <l>Floh bis hin zur Bergesſchlucht.</l><lb/> <l>„Berg, komm doch herab zur Wieſe,</l><lb/> <l>Lerne tanzen, plumper Rieſe!“</l><lb/> <l>Zornig begann der Berg ſich zu rütteln,</l><lb/> <l>Drohend mit dem Kopf zu ſchütteln;</l><lb/> <l>Grollte grimmig fort noch lange.</l><lb/> <l>Ricciolella wurde bange.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ricciolella kam zum Meere,</l><lb/> <l>Ob ihm Luſt zum Tanze wäre;</l><lb/> <l>„Meer, du kräuſelſt Well auf Welle;</l><lb/> <l>Tanz mit mir die Tarantelle!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0236]
Richard Kralik.
Ricciolella rief den Vöglein:
„Tanzt mit mir doch, liebe Vöglein!
Seid ihr ſchon müde, die Flügel zu heben,
Ueber die Erde zu flattern, zu ſchweben?“
„Schilt nicht, ſchilt nicht, Ricciolella!
Tanz für dich die Tarantella.
Tanzten ſchon den ganzen Tag,
Daß es uns nimmer freuen mag.“
Ricciolella rief den Bäumen:
„Wachet auf, aus euren Träumen!
Laßt vom Wind euch wiegend neigen,
Tanzt mit mir den luſtigen Reigen.“
Durch die Bäume ging ein Rauſchen;
Ricciolella mußte lauſchen:
„Stille, ſtille, Ricciolella!
Weck’ uns nicht zur Tarantella.“
„Nun ſo komm, du lieber Wind,
Spiel um meine Haare geſchwind.
Biſt doch ein luſtiger Tanzgeſell,
Drehſt dich im wechſelnden Wirbel ſo ſchnell.“
Und der Wind über die Haide ſchnob,
Blies ihr grad in’s Geſicht ſo grob:
„Ha, ich bin ein freier Mann!
Fang dein Spiel mit Andern an.“
Ricciolella nahm die Flucht,
Floh bis hin zur Bergesſchlucht.
„Berg, komm doch herab zur Wieſe,
Lerne tanzen, plumper Rieſe!“
Zornig begann der Berg ſich zu rütteln,
Drohend mit dem Kopf zu ſchütteln;
Grollte grimmig fort noch lange.
Ricciolella wurde bange.
Ricciolella kam zum Meere,
Ob ihm Luſt zum Tanze wäre;
„Meer, du kräuſelſt Well auf Welle;
Tanz mit mir die Tarantelle!“
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